Fasziniert verfolgt die Üsserschwiiz die chaotische Polizeitruppe der TV-Serie Tschugger. Wie realistisch wird das Walliser Leben gezeigt?
Ich will es gleich zu Beginn gestehen: Bei meinem persönlichen Reiseverhalten entspreche ich wohl ziemlich genau dem Üsserschwiizer Stereotyp: Der Internaut hat wenig Kontakt zum Wallis, aus erster Hand weiss er nicht besonders viel über den flächenmässig drittgrössten Schweizer Kanton.
Klar, ich war schon ein paar Mal in Zermatt. Ich habe eine Nacht im Briger Hotel des ehemaligen Polit-Titans Peter Bodenmann verbracht, zudem planschte ich mal im Aquaparc in Le Bouveret VS. Plus: Teilnahme an einem Tourismus-Symposium in Crans-Montana und eine Hüttennacht in der Cabanne des Audannes (2506 Meter über Meer). Aber das wars dann schon bezüglich eigener Valais Kantonserfahrung.
Meine traurige touristische Wahrheit ist diese: Ich war schon öfters in Wallisellen ZH als im Wallis VS/CH.
Tschugger: Die Serie, die das Wallis thematisiert
Ein Valais-Ignorant bin ich aber nicht. Zum Thema Sekundärliteratur darf ich immerhin anmerken, dass ich fasziniert das Wirken und Schaffen einiger wichtiger Köpfe aus diesem Kanton verfolge.
Als da (unter anderen) sind: Die FIFA-Könige Sepp Blatter und Gianni Infantino, die Sängerinnen Stefanie Heinzmann und Sina, Fussball- und Immobilien-Zampano Christian Constantin, Skiheld Pirmin «das Knie der Nation» Zurbriggen, Politiker Oskar Freysinger sowie TV-Sportkommentator/Mode-Geck Rainer Maria «Salzi» Salzgeber.

Dieser Tage kommt nun ein weiterer Kopf aus diesem Kanton auf meinen Radarschirm: David Constantin alias Polizist Bax aus der neuen TV Serie «Tschugger».
Der Mehrteiler läuft seit 28. November 2021 auf dem Sender SRF und bei den Streaminganbietern Sky und Play Suisse.
Tschugger ist Miami Valais
Mein Eindruck nach zwei Folgen der ersten Staffel: Diese Produktion aus Krimi und Komödie hätte ich unserem Land so nicht zugetraut. Tschugger, (was im Dialekt des des Kanton Wildwest und auch in anderen Kantonen übrigens «Polizist» bedeutet) ist Im Stil der 80er Jahre gehalten, schräg, temporeich, witzig erzählt.
Nicht nur ich fühle mich bei meiner TV-Kritik an das Look & Feel der 80er-Jahre-Serie «Miami Vice» erinnert. Outnow wortspielt die Sache so: «Miami Valais».
Bax Schmidhalter, der Chüäbüäb im Wilden Westen der Schweiz
Die Story dreht sich um den Kantonspolizisten Johannes «Bax» Schmidhalter, gespielt von David Constantin, der auch für Regie und Drehbuch zeichnet.
Die Handlung dieser Schweizer Fernsehserie, ganz kurz: Bax ist ein ziemlich wilder Kärli, eine Art Cowboy (oder Chüäbüäb, wie man im Wallis sagt), der im Wilden Westen der des Landes herumprescht, immer hungrig auf Action. Womit er ziemlich vielen Leuten in die Quere gerät.
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Zur AnmeldungFilmisch wird der Stoff ungeheuer schmissig, rasant und trashig vorgetragen, was beim Zuschauen viel Spass macht. Grosse Teile der Üsserschwiiz sind hell begeistert von Tschugger, die Einschaltquoten auf SRF sind gut, Folge für Folge.
Die Kritik zum Film fällt grossmehrheitlich positiv aus, selbst die sonst eher gestrenge «NZZ» amüsiert sich über die schräge Polizeikomödie und nennt es einen Heidenspass mit Trashfaktor.
Aus Schweizer Sicht stellt sich beim Betrachten dieser Raclette-Revolverküche* ein klein wenig TV-Stolz ein auf die SRG. Oh wow: Swiss TV, bezüglich Unterhaltung oft im Tiefschlaf vermutet, kann Serie. Original schweizer Feuerwalze inklusive.

Was man sich dabei als Zuschauer natürlich fragt: Wird uns hier ein Valais der komplett abgedrehten Sorte serviert, volle Klischee-Kanne? Oder ist da mehr? Kurz: Wie viel Wirklichkeit aus dem nämlichen Kanton steckt hier wirklich drin?
Ähnliches hab ich mich schon beim immens populären Netflix-Film «Die Schlange» gefragt. Damals konnte ich im Gespräch mit einem Experten per TV-Kritik klären, wie sehr die die Schlange das Feeling des Hippie-Trails eingefangen hat.
Experte: in Tschugger steckt viel Echtes und Authentisches drin
In der aktuellen Causa konnte ich mit Jonas Jossen sprechen. Jonas ist Praktikant auf der Kulturredaktion des «Walliser Boten», er kennt den Wilden Westen der Schweiz durch und durch.
Und, ebenso wichtig: Jonas kennt auch das Format Tschugger gut. Fast hätte er sogar mitgespielt darin.

Fragen wir also den Experten, wie viel Kantons-Wahrheit nun wirklich in dieser Film-Reihe steckt, in der übrigens fast ausschliesslich Laien auftreten. Ein paar bekannte Namen wie Anna Rossinelli und Cedric «Supercedi» Schild sind zwar dabei, aber als Schauspielerin und Schauspieler waren die Musikerin und der freche Medienkopf vorher nicht aktiv.
Aber zurück zu unserem Gesprächspartner: Auch mit Jugendkultur kennt sich Jonas Jossen, 26, bestens aus. Der Oberwalliser ist Sänger der Punkband The Rudifutschers.
Herr Jossen, wird Ihr Kanton mit dieser SRG Sendung veräppelt?
Ich sehe es nicht als Veräppelung, sondern als Hommage an die Jugendkultur des Kantons. Tschugger ist lebensnah und frisch geraten.
Sie schreiben im «Walliser Boten», dass der tragische Held Bax Sehnsucht nach Freiheit und eigensinnigem Heldentum verkörpere. Ein kantonstypisches Drängen?
Das ist nicht nur typisch für unseren Kanton, sondern stimmt so wohl für die Jugend generell. Junge Rebellen gibt es überall.
Wie nahe ist Tschugger dran an der Lebensrealität des Kantons?
So, wie die Serie die Charaktere zeichnet, ist sie nahe dran. Selbstironie und eine gewisse Lockerheit, das Verhalten in der Gruppe, der Witz, das Bedürfnis zu unterhalten: Das ist drin in den Leuten. Und drin im Film.

Und was ist komplett übertrieben?
Natürlich geht es auf einem unserer Polizeiposten nicht so zu und her. Aber das kann man wohl auch über andere Krimi-Serien sagen. Die Fälle aber, die gezeigt werden, könnten in der Realität sogar manchmal noch krasser und schräger sein.
Das typische Üsserschwiizer Vorurteil ist ja dieses: Es ist der Kanton Klüngel, jeder steckt mit jedem unter einer Decke. Korrekt?
Autor Kurt Marti hat Themen wie Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz in seinem Buch «Tal des Schweigens» gut aufgearbeitet. Dass hier jeder jeden kennt, merke ich persönlich beim Zuschauen der Serie: Immer wieder sehe ich Darsteller und Statisten, die ich im wirklichen Leben kenne.
Wie fällt Ihre persönliche TV-Kritik zur ersten Staffel aus?
Es mag Leute geben, die finden, der Kanton werde zu provokativ und überspitzt gezeigt. Mir geht es anders: Die Klischees werden schön und gekonnt bedient, dabei aber mit authentischen Figuren und guten Geschichten angereichert. Für mich ist Tschugger in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein unserer Kulturlandschaft.
Tschugger Bonus-Track: Do you speak Wallisertiitsch?
Etwas, das den Internauten (und viele andere) so fasziniert an diesem Kanton: Die Sprache. Der Dialekt, das «Wallisertiitsch» hat viele Eigenheiten und ist selbst für Deutschschweizer oft kaum verständlich.
Sag um Gottes Willen nie «Grüezi». Sag, wenn Du einen guten Tag wünschen willst: Tagwohl.
Hier sechs Worte, die Du immer bringen kannst im Kanton Tschugger:
Wenn die Sonne sich senkt über Sitten, Brig und Visp, bist Du mit Güoten Abund oder Nabund gut bedient.
Rauf: Ambrüff.
Runter: Ambri.
Ich habe grossen Durst: Ich hä en mords Durscht.
Trinken Sie bitte nicht zu hastig denn der Wein ist zu sehr alkoholhaltig: Tüo de nid gad zgidannt triichu, dasch de starche Wii.
Quellen: Sprachführer für Besucher des Festivals Gampel und das Walliser Wörterbuch.
Tschugger News Update: So geht es weiter
Was heute schon klar ist: Bei der einen Staffel bleibt es nicht. Staffel 2 von Tschugger ist schon angedacht. Im Oktober 2021 haben die Dreharbeiten zur zweiten Staffel begonnen, der fiktive Posten der Polizei bleibt also heiss. Regie führen David Constantin und Leandro Russo.
Die Ausstrahlung der weiteren Folgen dieser Produktion von Shining Film und SRF in Zusammenarbeit mit Sky Schweiz läuft ab Sonntag, 18. Dezember 2022 auf SRF 1 und Play Suisse. Gemäss Vorankündigung müssen die wackeren Polizisten nichts weniger als ihre Heimat vor dem Weltuntergang retten.
Wer nicht nur mitsehen, sondern mitreden will beim Thema Tschugger, kann sich mit diesem Fact-Sheet ein solides Basiswissen zur Serie und zum Kanton aneignen.
*Tschugger und Raclette: Übrigens
Vielleicht hast Du ganz oben beim Wort Raclette-Revolverküche einen kleinen Stern bemerkt. Das hat natürlich schon seinen Sinn. Und wird hier nun abgerufen.
Raclette ist eines der berühmten Gerichte in jenem Kanton, der in dieser Film-Reihe die gefühlt halbe Deutschschweiz begeistert. Wenn Du selber mal Lust hast auf ein nachhaltiges Raclette-Erlebnis in der Variante Teelicht, dann könnte Dich dieser Reise-Gadget-Test interessieren. Gsägnote Appetit!
Tschugger Fun Facts
Wie es sich für jede beliebte Serie gehört, rankt sich abseits der tatsächlichen Sendungen allerlei wichtiges und weniger wichtiges Wissen um Protagonisten, Drehorte, Sprache und Details der ganzen Produktion.
Plus natürlich weitere vielleicht schwach relevante, aber trotzdem spannende und lustige und erheiternde Infos.
Warum die Web-Domain Tschugger.ch nix mit Bax zu tun hat
In unseren digitalen Zeiten ist es für Sender und Produzenten gang und gäbe, mit ihren Filmen und Serien nicht nur Fernsehen, Kino und Netflix, sondern auch den virtuellen Raum zu bearbeiten.
Das tun sie in der Regel so, dass sie schon weit vor der Ausstrahlung die Namen ihrer Kreationen unter den den jeweiligen Web-Domains anmelden.

Wer aber auf die Seite Tschugger.ch geht, findet dort nichts zur furiosen Polizei Truppe aus dem Valais. Sondern landet in der Welt des Weine. Genauer: Bei der Firma Marolf Weinbau in Erlach am Bielersee im Kanton Bern. Und damit landen wir auch in der Welt der Tschuggerweine (oder Tschugger Weine).
Tschugg, muss man wissen, ist einem Gemeinde im Verwaltungskreis Seeland des Kantons Bern. Von dort kommen die Tschuggerweine, die nichts zu tun haben mit der nämlichen Fernseh-Serie. Denn im Valais, so ist zu vermuten, wird eher dem lokalen Wein zugesprochen.
Warum heisst Bax eigentlich Bax?
Tatsächlich ist dieser Vorname höchst ungewöhnlich für unser Land. Und, so vermute ich mal, auch für den Drehort-Kanton, von dem wir hier dauernd sprechen.
Die Antwort ist einfach und hat mit der Jugend von David Constantin, dem Autor, Regisseur und Hauptdarsteller von Tschugger zu tun. Wie die «SI» berichtet, hat das damit zu tun, dass Constantin als Kind aufgrund eines Überbisses der Spitzname Bugs Bunny verpasst wurde.
Oder kurz, Du ahnst es: Bax.
Neugierig auf die Fortsetzung der Serie? Hab ichs mir doch gedacht! Hier geht es zur TV-Kritik von Tschugger Staffel 2.
Dritte Staffel ab Mitte November 2023
Es geht weiter mit der Schweizer Polizeikomödie. Die dritte Staffel der Schweizer Fernsehserie startet ab Sonntag, 19. November 2023, auf den Sendern SRF1 und Play Suisse.
Neu ist dabei, dass Bax, Pirmin und Co ihr Rayon und ihr Team ausweiten. Neu wird auch das Westschweizer Comedy Duo Vincent & Vincent mit von der Partei sein. Und neu wird die Chaos-Truppe nicht nur im Kanton Wildwest, sondern auch in Bern ermitteln.
Wie sich das anfühlt? Am Anfang irgendwie falsch. Hier gehts zur Sendekritik von Tschugger Staffel 3.
Selber mal in den Kanton Wildwest reisen
Nun haben wir viel berichtet über die SRF-Serie, wie sie über den Bildschirm flimmert. Aber man könnte natürlich auch mal selber hinreisen zu den Schauplätzen.
Ende 2024 wird wohl die vierte und letzte Staffel erscheinen. Wenn Du das Wallis vorher mal erkunden magst, empfehle ich diese 8 Stationen im Kanton Wildwest.
Update 2024: Tschugger kommt als «Der lätscht Fall» ins Kino
Die Schweizer Kult-Serie wird zum Fall für die grosse Leinwand. Wie im Sommer 2024 bekannt wird, soll die vierte Staffel im Oktober 2024 zuerst als Kinofassung gezeigt werden.
Die Premiere von «Der Lätscht Fall» soll dabei am Zürcher Film Festival ZFF erfolgen. Also an jenem Festival, an dem 2023 auch der Schweizer Netflixfilm Early Birds Weltpremiere feierte.
Zuerst Kino-Weltpremiere, dann im Fernsehen verfügbar
Wenn Tschugger ins Kino kommt, haben wir es hier natürlich nicht mit einer normalen, sondern mit einer WW-Premiere zu tun. Also einer gleichzeitigen Wallis- und Weltpremiere.
Dem «Kino-first»-Ansatz soll dann im November 2024 die übliche TV-Verwertung folgen: Dann werden die fünf neuen Episoden im Fernsehen ausgestrahlt und auf SRF und auf Play Suisse verfügbar sein.
Wie sich die (vorerst) letzte Vorstellung von Bax & Co anfühlt, liest Du in der Sendekritik und Würdigung von Tschuggel Staffel 4 hier.
Neben Bax auch Pirmin, Smetterling und Valmira mit von der Partie
So wie es jetzt aussieht, soll nach der vierten Staffel voraussichtlich Schluss sein mit der Kultserie, die auch in der vierten Auflage von David Constantin als Autor, Regisseur und Hauptfigur lebt.
Wie im Trailer zur vierten Staffel, beziehungsweise zum Film «Der Lätscht Fall» zu sehen ist, werden neben Titelheld Johannes «Bax» Schmidhalter auch weitere Kultfiguren der Polizeikomödie wie Pirmin, Smetterling und Valmira wieder mit von der Walliser Partie sein.
Wer Constantin Davids Ursprung kennt: Lineli Solutions/Kinder Isarels und die „skandal“ Filme „Panzerkinder“ und natürlich „Schnütz“ mit Ueli Maurer, wundert sich über das Konzept von Tschugger nicht, der hat nicht’s anderes erwartet 😉
Anmerkugen, Le Bouveret ist im Kanton Waadt
Tschugger für Polizist ist original Berndeutsch, kommt daher dass der damalige Direktor der Stravollzugsanstalt Witzwil als Wärter hauptsächlich Burschen vom nahglegenen Tschugg einstellte
Klugscheisser Modus aus
Hallo und danke für die Inputs zu David Constantin, dessen Schaffen ich noch nicht lange verfolge, der nun aber definitiv auf meinem Radarschirm ist.
Das Wort «Tschugger» oder «Schugger» ist wohl schweizweit sehr verbreitet; der bekannte Dialektforscher Christian Schmid hat das kürzlich so gesagt: «Tschugger oder Schugger, wo im Schwizerdütsche Wörterbuech beleit isch für Basu, Bärn, Chur, Züri, Zuug u ds Waliss, u wo bim Rudolf vo Tavel u bim Otto vo Greyerz mundaartliteraarisch isch woorde, isch es Wort us em Rootwäutsche. Es heisst öppe sövu wi ‹der Späher›. Es söu nämmlech vo jiddisch chockar häärchoo, u chockar heisst ‹er hat gespäht›.»
Und noch zu Le Bouveret: Das liegt tatsächlich im Kanton Wallis, siehe zB hier: https://www.myswitzerland.com/de-ch/reiseziele/le-bouveret/
Guter Gruss, -andreas aka der Internaut-