Die Tschugger-Saga geht per Kinofilm und vierter TV-Staffel (vorerst) zu Ende. Und das ist gut so.
Kann man Atomraketen so in einen Film packen, dass darin auch Platz bleibt für eine arabische Agentin, ein Walliser Sprayer-Kind und einen Racletteofen als Folterinstrument?
Tönt abgedreht, aber das geht. Den Machern von Tschugger jedenfalls fällt das leicht.
Tschugger Staffel 4 rockt Welt und Wallis
In der TV-Staffel 4 der Schweizer Erfolgsserie Tschugger entwickeln sich die Dinge ganz langsam und ganz lokal – um schliesslich in einer globaler Krise zu münden.
Die Geschehnisse bleiben längst nicht nur aufs Rhonetal beschränkt, sondern vernetzen den Kanton Wallis über insgesamt drei Kontinente und sparen dabei auch das Pentagon nicht aus.
Ohne hier zu viel zu verraten, kann doch gesagt werden: Was zunächst als vermeintlich marginale Polizeisache mit einem kleinen Sprayer-Balg beginnt, wächst sich nach und nach zur atomaren Krisis aus.
Bax und sein Kumpel rasen im Dienst – oder eher: auf einer Mission – mit einer massiven Gold-Wing-Motorrad von einer haarsträubenden Situation in die nächste, von allen Seiten setzt ein fast schon pandemisches Powerplay ein.
Tschugger Staffel 4 mit Raketen-Countdown
Und damit nicht genug: In bester James-Bond-Manier beginnt ein erbarmungsloser Raketen-Countdown zu ticken, der die Welt vernichten könnte.
Und damit – spätestens jetzt wirds wirklich ernst – auch die Walliser Lebenswirklichkeit
Ist das irre, ist das krud? Ja und ja. «Worldwide Wallis», sagt der Internaut. «Haarsträubender Plot», sagt die «NZZ». «Hüere güet», sagt das Schweizer Kinopublikum, das dem Tschugger-Film «Der lätscht Fall» schon nach zwei Wochenenden über 50 000 Eintritte beschert hat.
Was jetzt – Tschugger als Film im Kino? Ja, genau.
Der lätscht Fall – das Finale als Film
Als Novum wurde die Staffel 4 der Krimiserie Tschugger zuerst als Spielfilm im Kino gezeigt, mit Weltpremiere im Oktober 2024 am Zurich Film Festival ZFF. Ab November 2024 erschien dann die vierte Staffel der Serie auf Streaming-Portalen und im Fernsehen SRG SRF.
Für diese Sendekritik hat der Internaut den Streifen, zusammengebosselt aus allen TV-Folgen der vierten Staffel, beurteilt. Eine massive Sache: 147 Minuten voll mit Tschuggereien ohne Ende.
Als einer, der Bax, Pirmin, Smetterling, Juni, Valmira und die ganze Serie sehr mag, muss der Internaut doch sagen: 2 Stunden und 27 Minuten Tschugger nonstop und ohne Verhörpause ist schon hüere heavy.
Warum ist die Serie Tschugger so erfolgreich?
Mit dieser steilen TV-Karriere hätte wohl niemand gerechnet. Oder sicher niemand ausserhalb des Wallis. Just in diesem Schweizer Kanton spielt die Polizeikomödie Tschugger.
Schon mit der ersten Staffel 2021 eroberten der wilde Polizist Johannes Bax Schmidhalter (David Constantin) und sein ruhiger Compagnon Pirmin Lötscher (Dragan Vujic) Walliser und und weitere Herzen im Sturm. Die Serie, die neben Schweizer Fernsehen SRG SRF auch auf den Streaming-Portalen Play Suisse, Sky und Netflix läuft, ging 2022 in die zweite und 2023 in die dritte Staffel. Im Oktober 2024 folgte zuerst ein Film fürs Kino und dann ab 24. November 2024 TV-Staffel 4.
Auf dem Sender SRF erzielte die Polizeikomödie Einschaltquoten wie sie sonst in der Schweiz nur der Tatort am Sonntagabend schafft. In ihren besten Zeiten erreichte die TV-Serie Tschugger über 30 Prozent Marktanteil.
Was die Serie so erfolgreich macht, liegt in ihrer Selbstironie, in der für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlichen Hollywoodisierung und in der Art, wie Walliser Eigenheiten und Klischees auf die Schippe genommen werden.
Mir jedenfalls brummte der Schädel schon ziemlich bald in der zweiten Hälfte des Films, welche die «NZZ» in ihrer Würdigung einen «fulminant abgewrackten Ritt» nennt. Gut gebrüllt, alte Tante!
In diesem abgefahrenen Alpenkrimi herrscht ein geballtes Gemauschel der unglaublichen Sorte, kaum jemand, der/die nicht irgend ein Geheimnis, eine Leiche oder gleich beides mit sich führt.
Tschugger 4: Serien-Portionen bekömmlicher als im Kino
Selbst der abgebrühte Praktikant Smetterling ruft an einer Stelle an die Adresse des Polizisten-Duos Bax Schmidhalter und Pirmin Lötscher aus: «Ihr seid schlimmer als die Polizei in Zürich!»
Meine Sendekritik zu Kino-Epos und vierter Ausgabe von «Valais Vice» lautet so: Als abendfüllender Streifen ist mir das etwas zu viel aufs Mal. Mir erscheint das in einzelnen Portionen, serviert als TV-Serie, bekömmlicher.
Aber urteile selber: Hier gehts zum Trailer von «Tschugger: Der lätscht Fall».
Vielleicht kann ich meine Bewertung noch ein wenig besser mit einem kantonstypischen Bildnis darlegen: Einen ganzen Raclette-Käselaib esse ich ja auch nicht am Stück – sondern Scheibe für Scheibe.
Oder, noch etwas spezifischer ausgedrückt: Abstreich-Portion für Abstreich-Portion.
Bewertung: eine Schweizer Serie wie eine Droge
Wenn ich die vier Staffeln Tschugger Revue passieren lasse, kommt mir ein Vergleich mit Rauschmitteln in den Sinn. Also Drogen. Und zwar härtere Ware als Raclette und Weisswein.
Der Vergleich geht so: Um die Wirkung stabil zu halten, muss bei Drogen oft die Dosis gesteigert werden.
Und so kam es mir auch bei der Handlung der Walliser Polizeikomödie vor. So wie die Erwartungen an die TV-Serie stiegen, musste auch der Stoff immer verrückter, wilder und abgedrehter werden.
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Zur AnmeldungIch bin ja kein Spezialist für Rauschmittel oder für Verstösse gegen das TV-Betäubungsmittelgesetz. Im Fall von Tschugger Staffel 4 würde ich mich aber zu folgender Aussage hinreissen lassen:
Mit Ingredienzen wie einer arabischen Agentin, durch Mitwirkung von Pentagon, Folter by Raclette sowie endkrass scharfen Atomraketen scheint mir die Dosis fürs erste an einem gewissen Limit angekommen zu sein. Es ist deshalb gut, dass mit der vierten und vorerst letzten Ausgabe nun eimal ausgeballert ist.
Wollte man den Rausch eines Films oder einer Serie noch weiter steigern, müsste man wohl Donald Trump im Wallis auftreten lassen.
Oder besser noch: Ausserirdische ins Spiel bringen.
Folge 5: Wallis im Weltall?
Ganz so daneben scheint diese Einschätzung nicht zu sein. In einem Interview kurz vor dem Kinostart im Oktober 2024 jedenfalls machte Tschugger-Mastermind David Constantin schon mal erste Andeutungen. Nicht zu Trump, sondern zu den Ausserirdischen.
Im Gespräch mit der «Schweizer Illustrierten» sagte Tschugger-Regisseur und Hauptdarsteller David Constantin, dass er «irgendwie Gefallen an der Astronauten-Idee» gefunden habe: «Eventuell könnten wir eine Raumstation im Wallis aufbauen, von dort auf einen Planeten fliegen.»
Und der Co-Regisseur, Headwriter und Autor Johannes Bachmann sagte etwas «Zürichsee-Zeitung», was irgendwie passt zu meiner Filmkritik: «Den Höhepunkt haben wir erreicht, denn mehr als die Welt retten kann man nicht.»
Tschugger Staffel 4 Finale und Kinofilm: Mein Ausblick
Um noch einmal zum Drogen-Szenario zurückzukommen: ich finde es gut, dass wir jetzt alle mal eine Serien-Pause machen. Wir sind am oberen Limit angekommen und brauchen etwas Tschugger-Detox. Aber ganz aufhören damit geht auch nicht. Dafür war der Rausch von Real Swiss Hollywood zu schön – und die Entzugserscheinungen wären zu gross.
Meine Vermutung. Jetzt ist erst mal drei Jahre Ruhe im Raclette-Ofen. So in der zweiten Hälfte der 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts wäre dann die Zeit reif für ein Tschugger-Revival. Nochmal ein Film? Ein Musical? Oder ein Wandertheater? Bax mitstamt Compagnon als Gaststars und Headliners bei der Tournee des Circus Knie anno 2027? Irgendwie so. Vielleicht. Aber garantiert schräger als die Polizei erlaubt.
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