Bleichgesichter verharren in Locarno meist an der Piazza Grande. Kann man so machen. Wir aber gehen lieber ein paar Schritte weiter. An die Starke Strecke Via della Motta. Weil es dort so lauschig ist.
Auf der Erde (oder mindestens in der Schweiz) gibt es kaum einen besseren Ort, um die die 500-Meter-Regel des Internauten zu validieren. Die Regel besagt: Wenn sich alle Touristen an einem Ort ballen, ist es immer eine gute Idee, 500 Meter weiter zu gehen.
Wobei die Marke auch mal etwas tiefer liegen kann. In unserem Fall, der in Locarno angesiedelt ist, sind es sogar nur 220 Meter. Beziehungsweise zwei Gehminuten: Von der Piazza Grande Locarno bis zur Starken Strecke Via della Motta.
Dass unsere Strecke am einen Ende mit «Via della Motta» und am anderen Ende mit «Via alla Motta» beschriftet ist, sollte uns dabei nicht gross stören.
Die Ambiance entschädigt dafür. Und dass die Strassenbeschriftung nicht immer ganz stringent ist, sollte man nicht etwa dem südlichen Schlendrian zuschreiben. So was kommt auch anderswo vor.
Piazza Grande Locarno: 120 lauschige Strassenmeter ganz in der Nähe
Immerhin hatten wir es ja auch an der Josefstrasse Zurigo schon mit einer recht multiplen Auslegung der Strassen-Rechtschreibung zu tun.
Aber zurück nach Locarno. An der Via della/alla Motta erkunden wir 120 malerische Meter Kopfsteinpflaster, die einen lauschigen Altstadt-Spaziergang hergeben, ganz in der Nähe der Piazza Grande, Herzstück und Wahrzeichen der Sonnenstuben-Stadt. Als Gastrosoph, der Kunstform aus Gastronomie und Philosophie, würde ich sagen: Die Via alla/della Motta ist ein urbanes Tiramisu.
Aber beginnen wir unten an der Strasse. Mit einem ersten Kaffee-Stopp, der eine gute Sicht auf den Beginn der Via della Motta erlaubt.
Ein Ort übrigens, wo wir uns später wieder zum verdienten Feierabend-Drink treffen werden.
Locarno Via della Motta: Ein Kaffeehalt
Die Pardo Bar ist ein herrlicher Ort für den Einstieg in die Via della Motta. Nur schon deshalb, weil die Aussenterrasse einen guten Blick aufs Strassengeschehen erlaubt.
Und damit wir auch ganz sicher sind, dass wir uns in Locarno, Ticino, befinden, ist das im Inneren des Lokals recht deutlich ausgeschildert. Klarer kann man eine Destination eigentlich nicht anzeigen, finde ich.
Altstadt Locarno: Ein Shop
Ein wenig Aufbrezeln ist im Tessin und für eine spätere Rückkehr auf die Piazza Grande Locarno bestimmt nie eine schlechte Idee. Diesbezüglich finden wir die Boutique Sumi sehr hübsch.
Ein Laden, der das Jahr in zwei gleichsam erfreuliche Jahreszeiten unterteilt.
Inhaberin Sumi sieht sich nicht nur als Boutique, sondern auch als «Atelier di Sartoria». Wir übersetzen: Schneider-Atelier. Was bedeutet: Im Winterhalbjahr ist Sumi selber als Schneiderin aktiv.
Im Sommerhalbjahr dann vertreibt sie die Teile des Slowfashion-Labels Lourdes Vergada, welches in Barcelona zu Hause ist.
Noch mehr coole Strassen
Der Internaut ist in Grossstädten unterwegs und findet Strassen, die Spass machen zum Essen, Trinken, Shoppen. Strassen, die nicht globalisiert sind – sondern von lokalen und regionalen Angeboten leben.
Mehr erfahrenPiazza Grande Locarno: Eine Mahlzeit
Manch einer zuckt im Tessin zusammen, wenn sich ein Lokal «Il Boccalino» nennt. Mit dem typischen Tessiner Trinkgefäss verbindet man oft eine Art Folklore und damit Restaurants, die sich mehr mit Ticino-Kitsch als mit Qualität im Teller befassen.
Aber easy.
Il Boccalino an der Via della Motta ist einen Besuch wert: Sehr aufmerksame Bedienung, schöne Terrasse auf unsere Starke Strecke hinaus, schmackhaftes Essen, Ticino at its best.
Nun ist es ja so, dass der Internaut ein Pasta-Tiger der gröberen Sorte ist. Aber schon beim zweiten Besuch im Il Boccalino hatte ich nur einen Wunsch: Darf ich nochmal den Risotto bestellen? Ich durfte.
Locarno Altstadt: Ein Mitbringsel
Bei den Mitbringseln schaue ich in der Regel darauf, dass sie die Marke von 20 Franken oder meinetwegen 20 Euro nicht übersteigen. Ist ja eh bald dasselbe.
Im Städtchen am Lago Maggiore aber lag ich für einmal deutlich drunter. Was ebenfalls für diesen Platz hinter dem grossen Platz spricht: Die Preise sind hier deutlich angenehmer.
Gerade einmal 1.95 Franken – im August 2020 waren das 1.80 Euro – hat mich dieses Säcklein Taralli (ein italienischer Gebäck-Snack in Knusper-Kringelform, Spezialität aus Apulien) gekostet. Eingetütet im Alimentari Suini, mit Jahrgang 1913 einer der wohl ältesten Lebensmittelläden im Tessin.
Dass man solche Geschäfte unterstützen sollte, ist wohl jedem Liebhaber von Starken Strecken klar. Wer es tatsächlich tut, trägt dazu bei, dass unsere Innenstädte lebendig bleiben. Ja, das war jetzt der moralische Teil. Ist aber schon wieder finito. Fast jedenfalls. (Siehe Hotel.)
Newsletter abonnieren
Jede Woche die neuste Blog-Post des Internauten im Postfach. Du kannst den Newsletter hier abonnieren und jederzeit wieder abbestellen.
Zur AnmeldungPiazza Grande Locarno: Ein Hotel
Gerade unterversorgt mit Unterkünften ist unsere Destination bestimmt nicht. Auf Schritt und Tritt stechen einem Hotels, Bnb und Alberghi aller Art ins Auge. Und dann gibt es natürlich auch jene Hotels, die nicht sofort auffallen.
Häuser wie etwa das Caffè dell‘ Arte, gelegen an der Via Cittadella, nur einen Katzensprung entfernt von der Via della Motta. Und somit auch von der Piazza Grande Locarno.
Selbst als aufmerksamer Fussgänger könnte man glatt vorbeigehen an dem Haus. Drinnen aber entfaltet es sich zauberhaft.
Ein kleiner Betrieb mit Charme und Stil. Eine Menge an Trouvaillen übers ganze Haus verstreut, jedes Zimmer individuell mit einem eigenen Thema eingerichtet. Womit ich es schon antöne: Für solche Häuser gilt das gleiche wie für den über hundertjährigen Alimentari: Sie verdienen unsere Unterstützung.
Locarno Via della Motta: Ein Drink
Wie eingangs erwähnt, führt der Weg zum wichtigsten Wasserloch wieder zurück in die Pardo Bar. Aber nicht etwa deshalb, weil es in der Gegend nichts anderes gibt.
Für Birre, Digestivi oder Distillati ist man beispielsweise im Bartolomeo richtig gut aufgehoben, gleich in der Parallelstrasse der Via alla Motta. (Profileser merken: ja, jetzt spreche ich vom oberen Ende unserer Starken Strecke).
Aber die Pardo Bar hat eben noch einen zusätzlichen Reiz. Während wir unseren Kaffee bei Tageslicht (oder auch Nachtlicht) auf der strassenseitigen Terrasse geschlürft haben, verziehen wir uns für den Drink in den Hinterhof.
Fast schon in Grotto-Ambiance kann man dort seinen Abend im Tessin ausklingen lassen. Was gerade im Sommer eine unschlagbare schöne Aktivität ist.
Via della Motta Locarno, die Anreise
Nun, ich hatte schon grössere Sorgen, Anreisen für Starke Strecken möglichst einfach und narrensicher in wenigen Worten zusammenzufassen.
Für die Via della Motta ist das nicht allzu schwierig. Schau Dir mal dieses Bild an. Und diesen Platz.
Ja, das ist die Piazza Grande. Den grossen Platz, berühmt für Veranstaltungen von internationalem Ruf wie das Locarno Film Festival (im August) oder die Moon and Stars Konzerte (Juli), findet man leicht. Die Navigation funktioniert so: Einfach vom Bahnhof Locarno her dem grossen Strom zum grossen Platz folgen.
Dort, wo im Juli und August die gefühlt halbe Deutschschweiz in den Restaurants und Bars sitzt. Kann man so machen.
Wer vom grossen Platz aus an die Via della Motta gelangen möchte, folgt dem kleineren Strom: Einfach bis ganz ans Ende der Piazza Grande gehen – und dann am Ende des Platzes scharf rechts einbiegen. Hier beginnt sie, die Via della Motta. Die dann nach grob geschätzen 100 Metern zur Via alla Motta wird.
Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Piazza Grande Locarno
Wenn man schon mal in der Gegend ist, lässt sich die Starke Strecke Via della Motta wunderbar kombinieren mit einer anderen Starken Strecke. Jawohl: Starke Strecke Locarno Via Citadella.
Gerade sommers entfaltet der Lago Maggiore ja eine gewaltige Anziehungskraft. Gegen wir ihr nach, dieser Kraft. Aber anders, als die anderen.
Die meisten anderen nämlich brechen schnurstracks ins grosse Freibad auf, ins Lido am Lago Maggiore unten.
Nichts gegen das Lido, es ist ein ebenso grosses wie komfortabel ausgestattetes Freibad direkt am See. Der Eintritt aber (für Erwachsene 13 Franken, mit Benutzung der Rutschen deren 18) ist doch eher hoch.
Dafür könnte man eine ganze Menge Taralli kriegen.
Auch am Lago Maggiore greift sie mal wieder, die 500-Meter-Regel. Wobei es wohl auch im Ticino weniger Meter sind, die man auf sich nehmen muss: Neben dem Lido liegt der Parco della Pace.
Direkt am See. Keine Rutschen. Kein Eintritt. Viel Frieden. Im Sommer, aber auch im Winter. Und in allen Tessiner Zeiten zwischendurch.
Schlechtes Wetter erwischt? Scusa. Hol Dir Dein verdientes Stück Wärme. Ebenfalls am Lago Maggiore unten, im grossen Spa am Lido, dem Termali-Salini.
Etwas Fernsicht in der Region gewünscht? Bitteschön: Geh zu Fuss hoch zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso. Dauert so um die 30 Gehminuten von der Via Cittadella her bis hoch zur Kirche, je nach Tempo. Und weil wir in der Altstadt ja das Pausieren gelernt haben, dauert es vielleicht etwas länger, bis wir bei der Madonna ankommen. Va bene?
Alternativ lässt sich der Weg von Locarno über Madonna del Sasso bis Orselina auch per Standseilbahn zurücklegen. Mit dem Funicolare Locarno – Madonna del Sasso.
Kunstsinnig unterwegs im Tessin? Dann könnte die Fondazione Ghisla Art Collection einen Besuch wert sein. Moderne und zeitgenössische Kunst stehen hier im Fokus .
Geschichtsinteressiert? Dann ab ins Schloss Visconteo, das sich auch über 650 Jahre nach Erbauung immer noch im Renaissance-Stil erhebt. Das Castello Visconteo befindet sich nur ein paar Schritte ausserhalb der Altstadt von Locarno.
Die Region Ascona-Locarno bietet zahlreiche Ausflugsziele, Touren und Erlebnisse. Gerade die Täler um Locarnos Stadtgebiet herum bieten sich perfekt an zum Erkunden. Ausflüge, etwa zur Maggia, zur Verzasca oder nach Ascona lassen sich mit Informationen auf dieser Website planen.
Was natürlich immer geht: Ein Ausflug nach Ascona. Per Bus lässt sich das reizende Dorf in 15 Minuten vom Locarner Stadtzentrum aus erreichen und entdecken. Eine weitere Sehenswürdigkeit: Ein Ausflug per Schiff auf die Brissago-Inseln.
Für die Serie «Starke Strecke» porträtieren der Internaut und seelenverwandte Autorinnen und Autoren städtische Strassen aus aller Welt, die nicht globalisiert sind.
Kein Starbucks, kein Zara, kein Hennes & Mauritz, kein McDonald’s – sondern lokale und regionale Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur.
«Starke Strecke» ehrt Strassen, die Locals und Zugereiste gleichermassen glücklich machen.
Hier gehts direkt zu allen Starken Strecken.
0 Kommentare