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Home 9 Tourismus 9 Ein Hoch auf die Nebensaison!

Ein Hoch auf die Nebensaison!

Datum

3. September 2023

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Home 9 Tourismus 9 Ein Hoch auf die Nebensaison!

Die Touristen sind weg, die Preise sinken, die Destination blüht auf. Warum ich die Zeit vor und nach der Ferien-Invasion am schönsten finde.

Wenn sich der meterologische Sommer verabschiedet, blasen viele Menschen Trübsal. Meine Ferndiagnose: Nachsommerliche Warmwasser-Nahziel-Strand-Depression (NsWwNzSD).

Das Krankheitsbild: Vor allem nord- und mitteleuropäische Patienten trauern dem verwelkten Mittelmeer-Glücksgefühl nach. Dies in der irrigen Annahme, nach den vergangenen Sommerferien bis nächsten Hochsommer auf europäische Salzwasser-Magie warten zu müssen.

Nebensaison
Nebensaison an der Costa Brava: Ja, hier sind noch Plätze frei. (Internaut)

Symptome bei NsWwNzSD-Patientinnen und Patienten: Deprimiertes Abstauben der Souvenirs aus Italien, Spanien und Griechenland. Alle mediterranen Glücksmomente, glaubt der reisepsychisch herausgeforderte Mensch, seien für Monate verreist.

Die gute Nachricht: Es gibt ein Heilmittel. Genesungs-Hypothese: Nach dem Sommer gehts erst richtig los. Nicht-invasive-Behandlungsmethode: Regeneration in der Nebensaison.

Nebensaison ist meine Hochsaison

Die Zeit nach (und auch vor) der touristischen Invasion ist geprägt von tieferen Preisen, weniger Overtourism und Massentourismus sowie entspannteren Menschen vor Ort. Klar, nicht alle Reiseziele der Welt sind terminlich gleich getaktet. Wenn ich hier vom Mittelmeer spreche, sind vor allem Reisezeiten ausserhalb der Ferien- und der Sommerzeit mit ihrer Hauptsaision in den Monaten Juli und August gemeint.

Das sich verändernde Klima spricht ebenfalls für die Neben- oder Nachsaison: Warum soll ich am Mittelmeer höchstsommerliche 40 Grad am Schatten aushalten, wenn ich den gleichen Strand im September und Oktober oder im Mai und Juni zu viel angenehmeren Bedingungen – preislich wie klimatisch – geniessen kann?

Nebensaison in Riccione an der italienischen Adria
Arrivederci, Spiaggia-Fürst: In der Nachsaison legen wir uns in Riccione wieder günstig hin. (Internaut)

Wer in der Nebensaison verreise, schrieb das deutsche Magazin «Geo» kürzlich, «schont nicht nur den Geldbeutel, sondern erlebt Land und Leute auch viel authentischer». Weil: «Keine Menschenmassen und kein Halligalli».

Kommt dazu: Die Wassertemperaturen sind immer noch angenehm. Und: In Reiseländern wie Italien, wo Spiaggia-Fürsten im Hochsommer ihre Sonnenschirme und Liegestühle zu Wucherpreisen vermieten, ist plötzlich wieder Platz frei. Günstiger Platz.

Nebensaison ist nicht gleich Nebensaison

Nun ist es natürlich so, dass eine touristische Mittelmeer-Destination in der tiefsten Nebensaison eine gewisse Tristesse und Melancholie verbreiten kann.

Klar, wenn fast alle Hotels, Bars und Restaurants geschlossen sind, wenn sich die Einheimischen kaum blicken lassen und dazu klamme Winterkälte herrscht, muss man schon eine ganz besondere Vorliebe für den tristen Charme der dunklen Jahreszeit mitbringen.

Für die absolute Tiefsaison zwischen November und Februar mag das stimmen. Doch in der Periode von Ostern bis Juni und von September und Oktober sieht es anders aus. Da empfinde ich es sogar als Vorteil, wenn die touristische Maschine noch nicht oder nicht mehr auf Hochtouren läuft.

Valencia Playa de la Patacona
Patacona Beach Valencia: Ab Oktober mucho más Platz am Strand. (Internaut)

Nehmen wir das Nightlife als Beispiel: Was nützt es mir, wenn zur sommerlichen Hauptsaison in Rimini 350 Bars, Clubs und Pubs für Action sorgen?

Ich kann ja doch nur maximal eine bis drei Stationen anlaufen pro Nacht.

Party zum Ende der Saison
Das Beste kommt zum Schluss: Closing-Party zum Ende der Saison am Golf von Saint-Tropez. (Internaut)

Eine ganz andere Stimmung entsteht, wenn das Angebot ausgedünnt wird. Plötzlich sind nur noch eine Handvoll Attraktionen verfügbar. Jede einzelne Show, jeder Club und jede Bar wird so zum seltenen Ereignis.

Man wird so auch mehr Einheimische antreffen. Ein solches touristisches Reduce to the Max hat Vorteile. Alle sind froh, dass überhaupt noch etwas offen ist, was zu einer Verdichtung der Emotionen führt.

Ich finde, jeder Urlaubsgast müsste mal an einer Closing-Party eines Hotels oder einer Ferienanlage dabeigewesen sein. Unglaublich, was da zum Schluss der Saison alles frei wird an Emotionen. Bei Gästen, Angestellten an der Front, und auch bei solchen, die die ganze Saison über im Back-Office an der Arbeit sassen.

Recherche von Vorsaison und Nachsaison

In der Vor- und Nachsaison herrscht nicht immer Postkartenwetter. Gewiefte Ferienmacherinnen und -macher wissen das. Was sie auch wissen: Recherche zum Thema Wetter ist wichtig.

Reisepläne in der Vorsaison und Nachsaison bedingen das Studium von Klimatabellen. So weiss man ungefähr, welches Wetter für den Urlaub auf Inseln und Destinationen am Festland im langjährigen Durchschnitt bezüglich Temperaturen, Regen und Sonnenstunden zu erwarten ist.

Nicht alle können in der Nachsaison reisen

Natürlich, längst nicht alle Menschen können in der gelobten Zeit der Nebensaison, also vor und nach der touristischen Invasion, verreisen. Ganz besonders gilt das, wie ich selber weiss, für Eltern mit schulpflichtigen Kindern.

Hier möchte ich anregen, einen anderen Prozess im Leben, der in der Regel negativ konnotiert ist, per Re-Framing ins Positive zu transformieren. Ja, wir sprechen vom Älterwerden.

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Der Prozess, den ich Dir hier als grosse Mittelmeer-Mindset-Transformation (gMMT) beliebt machen möchte, ist so strukturiert: Wenn du alt und älter wirst, werden Deine Kinder irgendwann dem rigiden schulischen Ferien-Muster entkommen.

Alle Sorgen bist Du damit zwar nicht los. Doch Dein Horizont öffnet sich: Du bist nicht mehr an die Schulferien gebunden. Plötzlich wird die Nebensaison zu einer Möglichkeit zu reisen, plötzlich öffnen sich neue Reiseziele. Freu Dich drauf!

Nebensaion: Spezialsituation Lehrkörper

Nun gibt es natürlich eine (hochgeschätzte) Berufsgattung, die in ihrem Arbeitsleben wenig erfährt vom oben geschilderten Mindest-Change: Lehrerinnen und Lehrer.

Ja, auch diese Menschen werden älter. Aber sie sind stets gebunden an den schulischen Ferienkalender, der sie fast schon dazu verdammt, in der Hochsaison zu reisen. Mein herzliches Beileid.

Nebensaison Riccione
Nebensaison in Riccione an der italienischen Adria: Keine Parkplatzsorgen. (Internaut)

Dazu möchte ich anmerken, dass ich schon lange hausiere mit meiner Version eines ferienfairen Schultypus. Arbeitsname: «Happy School». In dieser Schulform wäre es für Lehrkörper und Schüler möglich, aus einem ganzjährigen Ferien-Total von zwölf Wochen (Vacation Allowance) selber zu wählen, wann man verreisen will.

Analog dem europaweit akzeptierten Bologna-Prozess könnte man bei diesem Ansatz vom Rimini-Protokoll sprechen.

Happy School: Freie Diskussions-Termine in der Hochsaison

Zum Beispiel so: Jochen und Saskia verbringen den Urlaub mit ihren Eltern am liebsten im September, bei Omi in Stralsund. Okay, reiset hin in Frieden. Noah hingegen besucht seine thailändischen Grosseltern im Januar: Go for it!

Für die Lehrerin Giualia Rossi, Mutter von Mia und Matteo wiederum, ist die Zeit um den italienischen Ferragosto wichtig, ihre drei Wunsch-Wochen in Apulien fallen mitten in den Beginn des neuen Schuljahres. Auch gut. Andiamo, Signora Rossi!

 Nebensaison Schulferien
Schulferien in der Nebensaison? Ma Certo. Buchstabiere: Rimini-Protokoll. (Shutterstock)

Dieser disruptive Mechanismus der freien Wahl der persönlichen unterrichtsfreien Zeiten hätte viele Vorteile. Der Systemwechsel auf das Modell Happy School würde Ferien-Saisons glätten, Overtourism möglicherweise etwas eindämmen, Gotthard-Staus ausdünnen, den Lehrkörper glücklicher machen und damit den Lehrermangel positiv beeinflussen. Win-win, all you can eat.

Gerne diskutiere und konkretisiere ich das Projekt «Happy School» mit Kennerinnen und Kennern des Schulsystems. und/oder mit Investorinnen und Investoren aus der EdTech-Welt. Am liebsten im Juli und im August.

Im September und Oktober habe ich leider keine Zeit. Weil ich dann auf Reisen bin.

Nebensaison: Der grosse Roadtrip nach Italien

Wann ist in Italien am meisten los? Klar, Ostern, Juli und August – das sind die dicken Daten.

Im Februar hingegen sind die Strassen leer, die Preise tief und überall ist man froh, wenn überhaupt Besucher kommen. Wie sich die Fahrt im Auto von Zurigo bis runter nach Sizilien in der Neben- oder vielmehr Tiefsaison anfühlt? Bitte einsteigen, genau hier gehts zum grossen Roadtrip nach Italien.

Autor:in

Andreas Güntert

Andreas Güntert

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Seit 1994 erforscht und beschreibt Andreas Güntert hauptberuflich als kritischer Sympathisant der Wirtschaft die Schnittstellen von Konsum, Gesellschaft und Reise-Industrie. Als Reiseblogger der Internaut lotet er das Reise-Internet aus. Der Internaut ist ein Storyteller – unabhängig, munter, pointiert. Und immer seinen Leserinnen und Lesern verpflichtet.

Kommentare

2 Kommentare
  1. Rolf Spittel

    Warum immer nur zum Mittelmeer? Asturien bietet Traumstrände und oberhalb davon befindet sich ein Gebirge, Pico de Europa, 2500 Meter über dem Atlantik gelegen. Die Wassertemperatur ist im Herbst angenehm und die Küche stellt einen anderen Höhepunkt dar. Und preislich ist Asturien dazu noch günstiger als die ’nördlichen‘ Mittelmeerländer.

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  2. Andreas Güntert

    Hola Rolfito, natürlich gilt die Nebensaison-Empfehlungen auch für andere europäische Gegenden. Danke für den Asturien-Tipp! Wünsche schöne Nachsaison, Grüsse gut, -andrecito aka der Internaut-

    Antworten

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