Zwei junge Schweizer umrundeten vier Jahre die Welt im umgebauten Land Rover. Ihr schönstes Souvenir? Ein Kinofilm. Ihre grösste Lektion? Etwas ganz Einfaches, eigentlich.
Die Welt ist ein gefährlicher Ort. So hören und sehen wir es rund um die Uhr aus den Medien. Weitgereiste Menschen erfahren es oft anders. Sie sagen: Die Menschen sind gut.
So jedenfalls erfuhren es die süddeutschen Weltenbummler Gwen und Patrick, die dreieinhalb Jahre zu Fuss und per Autostopp weit um die Welt unterwegs waren. Und in dieser Art berichteten auch die Schweizer «Velocos», die per Fahrrad 13 Jahre lang rund um den Globus fuhren.

Once around the World: 1 Land Rover, 2 Männer, 50 Länder
Jetzt sorgt wieder ein Kinofilm für aufflackerndes Fernweh. Once around the World (einmal rund um die Welt) heisst der Streifen, der von den beiden Schweizern Philippe Büchel und Samuel Weishaupt stammt. Vier lange Jahre fuhren die beiden Jugendfreunde mit ihrem Land Rover um die ganze Welt.
Internaut-Gastautorin Olivia Ruffiner hat sich den Film der beiden Appenzeller angeschaut. Spoiler: Auch wenn manchmal etwas arg viel Welt in wenige Film-Minuten gepresst wird – mitfahren im Kino durch 50 Länder lohnt sich. Auch deshalb, weil man nicht nur starke Bilder, sondern eine eindrückliche Lektion mit nach Hause nehmen kann.
Out of Appenzell: Filmkritik und Geschichte
Fast unscheinbar wirkt Philippe Büchel auf der Bühne des Blue Cinema Maxx in Winterthur. Keine Spur mehr des 25-Jährigen, der mit pink-gefärbten Haaren hinter dem Steuer eines umgebauten Landrovers die Welt umrundete.
Gemeinsam mit seinem Freund Samuel Weishaupt begab er sich im Januar 2008 auf eine Reise, die die beiden Appenzeller durch 50 Länder führen sollte. Das, zu einer Zeit, in der Navigationssysteme noch eine Novität waren.
Vier Jahre lang durchquerten die beiden Appenzeller einige der gefährlichsten Länder der Welt, verschifften ihren «Ländi» mehrmals in einem 20-Tonnen-Container und legten in Melbourne gar eine Arbeitspause ein.
Die Kosten? Rund 150’000 Franken, exklusive der unzähligen Stunden, die sie in den Umbau des Landrovers investierten. Jede Schraube, jede Mutter kannten sie in- und auswendig – eine Notwendigkeit für ihre Reise.

Once around the World: Nächste Aufführungen
Donnerstag, 27. März 2025, 20:00 Uhr im Blue Cinema Corso 1 (beim Bellevue), Zürich (mit Regisseur, Darstellern und Land Rover vor Ort, in Kooperation mit dem Reisespezialisten Travelhouse.
Mittwoch, 9. April 2025, 20:00 im Blue Cinema Scala 3 St.Gallen, mit Regisseur, Darstellern und Land Rover vor Ort.
Eine Reise ohne Google Maps
Für Büchel, gelernter Multimedia-Elektroniker, und Weishaupt, Polymechaniker, waren Mechanik und Technik gewohntes Terrain. Anders als die bereisten Länder, denn durch dieses Neuland navigierten sie ohne moderne Hilfsmittel.
Google Maps war zu jener Zeit gerade erst für Android als App veröffentlicht worden; ihr klobiges Sony Ericsson Tastenhandy bot diese Funktion aber noch nicht. Ohnehin steckte das Internet zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen; Online-Zugang war in vielen Gegenden der Welt noch eine rare Ware. Google Translate? Hatte es im Jahr des Herrn 2008 wegen seiner vieler Kinderkrankheiten noch gar nicht in den Kindergarten geschafft.
Zwei Appenzeller, 20 Wörter
Also schlugen sich Philippe Büchel und Samuel Weishaupt mit ein paar Brocken Französisch, Englisch und Arabisch durch. Und mit im Gepäck: Listen mit den jeweils wichtigsten 20 Wörtern in den angesteuerten Ländern für Begrüssung, Navigation und Höflichkeitsfloskeln.
Eine Szene im Film zeigt die beiden im Nomadenland Tadschikistan. Die beiden Appenzeller fragen einen älteren Herren nach dem Weg – «Yamg, Yamg» hört man Büchel hinter der Kamera nach dem Weg in fragen. Der Mann zeigt in eine Richtung und erwidert «Yamg».
Was er den beiden weiter erzählte, erfuhren die Schweizer Weltreiser erst gut zehn Jahre später beim Schneiden des Films. Der tadschikische Senior wünschte, dass sie Thomas herzlich grüssen sollten, einen Schweizer, der bei ihm einmal nächtigte.

Stöbern durch Filmkassetten
Auch Regisseur Jorge Oswald musste navigieren – durch unzählige Stunden unbeschrifteten Filmmaterials. Die beiden Weltenbummler sah er das erste Mal in Kolumbien, als sie an seiner Schule einen Vortrag hielten.
Jahre später, als er bereits in der Schweiz als selbständiger Filmemacher arbeitete, trudelte die Anfrage von Weishaupt in seinem Postfach ein. Schnell war klar: Jorge Oswald ist der richtige für das Projekt.
Once around the world – und einmal durch Google Street View
Die zwei Schweizer wurden auf ihrer Reise auch vom japanischen Elektronikkonzern Sony gesponsert, beziehungsweise von dessen Kameramarke. Die gefüllten Filmkassetten, Speicherkarten und eine Festplatte mit mehreren Terabyte an Aufnahmen hatten die beiden nach ihrer Rückkehr in einer grossen Plastikkiste aufbewahrt, vieles nur spärlich oder gar nicht beschriftet.
Die Produktion des Films dauerte zwei Jahre lang. Oswalds grösste Herausforderung war es, die Aufnahmen chronologisch zu ordnen. Nach der Filmaufführung im Kino erzählte der freischaffende Filmemacher, dass er stundenlang Monumente im Filmmaterial mit Google Street View abglich und so versuchte, die Reise der beiden Appenzeller zu skizzieren.

Ein gelungener Film – bis auf einen Bruch in Indonesien
Das ist Regisseur Jorge Oswald mehrheitlich gelungen. Der Film dokumentiert die Reise chronologisch, untermauert von Interviews, welche die beiden Appenzeller während der Reise gegeben haben und Rückblenden sowie Nacherzählungen der beiden Weitgereisten.
Einen Bruch gibt es aber, und zwar in Indonesien: Hier springt der Film zwischendurch nach Peru, zurück nach Indonesien und wieder nach Ecuador, bevor es von Indonesien nach Australien geht. Die Schnitte sind schnell, die Länder liegen aber gut 18’000 Kilometer auseinander. Krasses Kino, zu viel Welt in zu kurzer Zeit.
Roadmovie mit starker Message
Auch wenn das Storytelling in Indonesien etwas über dem Tempolimit unterwegs ist, packt einem der Film insgesamt. Das Roadmovie überzeugt im Kino mit einer starken Message.
Die Reise sei zu einer Lektion in Einfachheit geworden: «Dinge zu verkomplizieren ist einfach», sagt Weishaupt. «Die Kunst ist es, Dinge zu vereinfachen und das haben wir von den Einheimischen gelernt.»
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Zur AnmeldungIhr Ziel war es, die Welt selbst zu entdecken, jenseits der oft furchteinflössenden Darstellung in den Medien. Was sie fanden, war das Gegenteil: Menschen, die halfen, lachten, sangen – ob auf einem Vulkankrater in Chile oder beim Brotbacken in Usbekistan.
In Oswalds Schnitt stehen nicht die beiden Appenzeller Weltreisenden im Mittelpunkt, sondern die Begegnungen entlang ihrer Route. Die Welt, wie sie wirklich ist, einmal satt umfahren, wie es an einer schönen und schön einfachen Stelle heisst im Film: «Wir sind in Richtung Osten losgefahren und vom Westen her wieder zurückgekommen.»
Vielen Dank für den Tollen Bericht, das ist weit ab mein Favourit bis jetzt. Toll recherchiert und geschrieben. Vielen Dank 🤩
Hallo und Danke für die positive Rückmeldung, das werde ich gerne der Internaut-Gastautorin Olivia so weiterleiten. Wenn ich noch nachfragen darf: Büchel – wie Philippe Büchel? Gruss, -andreas aka der Internaut-