Das Reiseziel steht fest. Aber der Reiseverlauf noch nicht. Für die Destination Japan lassen wir zwei Ratgeber antreten: Künstliche Intelligenz gegen konventionelles Reisebüro. Wer gwünnt?
Reiseplanung mit ChatGPT – das kann durchaus Sinn machen. Immerhin spricht derzeit die gefühlte halbe Welt über die Power der Künstlichen Intelligenz, abgekürzt als KI.
Dass KI-Tools wie ChatGPT helfen können, einen Hotel-Beschwerdebrief in einer Fremdsprache zu schreiben, wurde hier schon bewiesen. Aber heute fordern wir die Künstliche Intelligenz stärker heraus.
Reiseplanung mit ChatGPT: Hey Chatbot, kannst Du Japan?
Als Herausforderin tritt dabei Internaut-Gastautorin Olivia Ruffiner an. Die junge Dame – voll digital, voll Generation Z – setzt ChatGPT für ihre geplante Japan-Reise ein. Einerseits.
Und andererseits wird Olivia in diesem Beitrag etwas tun, was sie in ihre ganzen Leben noch nie getan hat: Ein Reisebüro aufsuchen. Also voll mit Reingehen, Absitzen, analogem Kundengespräch und so.
Der Internaut plaudert mit Arbeitskollegin Olivia immer mal wieder über Künstliche Intelligenz. Im Frühling 2023 tranken wir sogar zusammen ein Chat-GPT-Gebräu.
Für die «Handelszeitung» testeten wir das Getränk «Vivi Nova», dessen Rezept von Künstlicher Intelligenz ersonnen wurde. Aber jetzt Bühne frei für Olivia und ihre schöne Affiche: Wie ChatGPT meine Japan Reise plante – und ich dann doch im Reisebüro landete.
Ein lang ersehnter Traum scheint wahr zu werden: Ich reise nach Japan. Das Ziel ist klar, die Ferientage sind bewilligt, nur die Reiseroute ist noch offen. Und das Tool zur Planung: Künstliche Intelligenz oder Reisebüro?
Ob Tradition oder Hightech: Japan has it all. Fast unglaublich ist der Spagat vom einfachen Landleben zum elektrisierenden Grossstadttrubel, den die Inselnation im Pazifik meistert. Dieses Jahr haben mein Partner und ich beschlossen, das grosse «J» auf der Bucket-List in Angriff zu nehmen.
Da Japan doch etwas weiter weg ist und die Sprache und Kultur unseres Westens nicht weiter entfernt sein könnte – geographisch und metaphorisch – haben wir uns entschlossen, ein Reisebüro zu besuchen.
Eine Premiere für mich, da ich sonst immer gut und gerne mit Booking und BnB umgegangen bin. (Städtetrips nach Rom und Valencia brauchen keinen ausgeklügelten Fahrplan, da heisst meine Devise: sich treiben lassen).
Japan-Reise: Freund und Helfer ChatGPT als erste Anlaufstelle
Doch bevor ich mich in die Gefahr des physischen und voll analogen Kontakts mit einer Reiseberaterin begebe, suche ich den sicheren Hafen des Internets auf. Recherche muss sein. Mein Freund und Helfer ChatGPT ist dabei natürlich meine erste Anlaufstelle.
Das Programm ist ein sogenanntes Large Language Model (LLM), ein grosses Sprachmodell, es wurde also mit Unmengen von Daten gefüttert und kann auf Anfragen Antworten liefern.
Diese Antworten sind nicht immer wahrheitsgetreu, sondern entsprechen der Wiedergabe einer statistischen Wahrscheinlichkeit. Kurz: ChatGPT errät mit seinem vollgestopften Computer-Hirni, welches Wort auf das nächste folgt.
Ein Chatfeld fordert mich freundlich auf, «eine Nachricht zu senden». Also lege ich in meiner Anfrage, dem sogenannten Prompt – die Parameter fest: drei Wochen Japan, nur Festland (Okinawa und Hokkaido sind während der Taifunsaison heikel) und auf jeden Fall muss ich Tokio, Kyoto und Osaka besucht haben.
Die Antwort kommt als ausgeklügelter Reiseplan. Die künstliche Intelligenz schlägt mir nicht nur vor, wie lange ich in jeder Stadt bleiben soll, sondern auch, welche Erkundungstouren ich in jeder Stadt unternehmen kann. Wie gewünscht beginnt die Reise in Tokio, der Hauptstadt Japans.
Tokio ist keine Stadt, wie wir sie kennen, sondern eine Präfektur – eine von insgesamt 47 in Japan. Die Präfektur Tokio ist wiederum in 23 Bezirke unterteilt, die unterdessen durch städtische Verdichtung zu einer Stadtregion zusammengeschmolzen sind. Dieses Gebiet wird auch als Tokio Metropolitan Area bezeichnet, wie ChatGPT weiss. Allein in dieser Region leben über 14 Millionen Menschen, fast doppelt so viele wie in der Schweiz.
Dass KI mit seinen Daten auch Fehler macht, ist kein Geheimnis. Deshalb bei Fragen zur Reiseplanung mit ChatGPT besser doppelt prüfen, als das Wissen einfach annehmen. Die Informationen, die mir der Bot zu Tokio ausspuckt, sind alle korrekt.
Die Route des Chatbots führt an den Tagen fünf bis sieben nach Nikko, einem Zentrum des japanischen Buddhismus in der Präfektur Tochigi in den Bergen nördlich von Tokio.
Von Tokio nach Nikko sind es gut 125 Kilometer, eine plausible Entfernung. Weniger plausibel erscheint die Bemerkung «Tagesausflug nach Nikko», wenn ChatGPT ganze drei Tage dafür einplant. Auch scheint der Textroboter herzlich wenig übrig zu haben für Kost und Logis: Nur selten erwähnt der Chatbot Themen wie regionale Gerichte und Getränke. Keine Tipps für Restaurants. Und von einem Budget erzählt ChatGPT auch nichts.
Man könnte nun philosophieren, dass ein Roboter ohnehin nicht schlafen und essen muss, doch ich vermute hier eher einen Benutzerinnenfehler in der Anfrage. Ich hätte die Fragen spezifizieren sollen. Aber dazu später mehr.
Reiseplanung mit ChatGPT: Weiter nach Kyoto
Die Tage acht bis zehn verbringe ich in Kyoto. So will es mindestens der Computer. Auch hier werden mir Sehenswürdigkeiten aufgelistet und schmackhaft gemacht.
Der Faktencheck sitzt mir tief in den Knochen: Mit Google und Reiseführer zur Hand überprüfe ich, was GPT mir vorschlägt.
Als erstes lässt mich die Information «ehemalige Hauptstadt Japans» stutzen. Doch es ist wahr: Kyoto war von 794 bis 1868 die Hauptstadt Japans und Sitz des kaiserlichen Hofes.
Noch heute gilt die Stadt als kulturelle Hochburg. In den Strassen von Kyoto lassen Gartenkunst und Holzarchitektur das alte Japan wieder aufleben.
Aber weiter in der Planung dieser Reise mit ChatGPT. Im Info-Flow sagt mir der Chatbot, dass ich Hiroshima, Miyajima und Osaka besuchen solle. Eine Reiseberaterin würde das wahrscheinlich nicht tun. Wie wir wissen, befinde ich mich gerade in Kyoto, was 600 Kilometer von Nikko und 300 Kilometer von Hiroshima entfernt liegt. Osaka hingegen wäre knapp 50 Kilometer südlich von mir.
Um genau zu sein, ist hier ein ähnliches Phänomen wie in Tokio zu beobachten: Die Städte Osaka und Kyoto sind zu einer Metropolregion zusammengewachsen. Was das Organisatorische betrifft, schleichen sich hier erste Zweifel an ChatGPT als Reiseberater ein.
Ferien planen mit ChatGPT: Plötzlich bricht die Reiseroute ab
Im Anschluss daran bricht ChatGPT meine Reise in Osaka ab. Nicht, weil ich nach Hause muss – wir stehen erst bei Tag 16 – sondern weil die maximale Zeichenzahl erreicht ist. Also hake ich mit dem nächsten Prompt nach: «Was mache ich nach Tag 16 in Osaka?».
Die KI entschuldigt sich und führt weiter: In Osaka besuchen wir das Schloss, erkunden Dotonbori (ein belebtes Ausgehviertel) und geniessen die Aussicht vom Umeda Sky Building. Erstmals kommt jetzt auch das Thema Essen zur Sprache: Der Textroboter empfiehlt Okonomiyaki, eine Art Eierkuchen, und Takoyaki, gebratener Tintenfisch und eine Spezialität Osakas. Geht ja!
Danach geht es weiter nach Nara und Kobe (Tage 17 bis19). Nara ist eine der berühmtesten Regionen Japans wegen der zahmen Hirsche, die dort im Park leben. Den Nara-Park (sehr kreativer Name, ich weiss) kennt auch ChatGPT, denn es setzt ihn auf die Route. Aber auch hier unterläuft der KI der gleiche Fehler wie bei Nikko: Obwohl drei Tage geplant sind, steht im Programm «Tagesausflug». Das Programm spezifiziert nicht, von welchem Ausgangspunkt aus dieser Ausflug gemacht werden soll.
Um hier noch eine Lanze für die Reiseplanung mit ChatGPT zu brechen: Bei Nara und Kobe wird klar, warum mich der Chatbot von Kyoto über Hiroshima wieder nach Osaka führte. Anders hätte ich einen grösseren Schlenker gemacht. Auf diese Weise kann ich über Nara und Kobe nochmals zurück nach Tokio und nehme von dort an Tag 21 den Flieger zurück.
Zugegebenermassen habe ich, wie bereits erwähnt, nicht alle Antworten von ChatGPT auf den obigen Prompt allein erhalten. Es sind noch einige Rückfragen nötig, aber genau das ist die Stärke des Programms. Es kann ein Gespräch – oder einen Chat – aufrechterhalten.
Die Informationen von GPT hören sich toll an, aber ich persönlich finde sie auch etwas sportlich. Die Infrastruktur Japans würde es ermöglichen, diese Distanzen schnell zurückzulegen. Die Hochgeschwindigkeitszüge oder «Bullet Trains» (Shinkansen 新幹線) fahren alle grösseren Städte an und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometer pro Stunde.
Was mir für diesen Urlaub noch fehlt, ist der finanzielle Aspekt. Also frage ich nach: Was kostet mich die die Reise?
Die Künstliche Intelligenz betont, dass die Preise je nach Komfort und Abfahrtsort variieren und gibt mir eine Schätzung von 4’000 bis 8’000 Schweizer Franken pro Person, inklusive Aktivitäten, Transfers und Hotels.
Reiseplanung Japan: Jetzt auf ins Reisebüro
Mit dem Gedanken, bestens vorbereitet zu sein, stosse ich die Tür zum Reisebüro Travelhouse in Winterthur auf. Der Händedruck bei der Begrüssung angenehm, ein Computerbildschirm auf dem Tisch und die Freundlichkeit der Beraterin erinnern mich an den Tonus von GPT. So far so good.
Dann geht es los, ähnlich wie bei der KI müssen wir die Reiseberaterin nun prompten, was, wie und wo. Bei meinen Fragen kann ich auf die Inspiration zurückgreifen, die ich von der künstlichen Intelligenz erhalten habe.
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Zur AnmeldungPrompt an die Reiseberaterin: Wir möchten drei Wochen in Japan verbringen und dabei gerne die grossen Städte anreisen.
Doch die Beraterin will weitaus mehr wissen, stellt Zwischenfragen und gibt uns schon erste Inputs und Informationen für Übernachtungen, Spezialitäten und Sehenswürdigkeiten. So schlägt sie vor, den Mount Fuji zu besuchen, den ChatGPT komplett ausser Acht gelassen hat.
Natürlich kennt die Reiseberaterin in Menschenform sogar ein Ryokan mit angeschlossener Onsen. Dies an einem Ort, wo man bei guter Witterung den ikonischen Vulkan bestaunen kann.
Die Erklärung kommt ohne Prompt: Ein Ryokan, so die Reiseberaterin, ist ein rustikales japanisches Hotel mit den typischen Papierwänden und Tatami-Böden. Onsen ist japanisch für «heisse Quelle», und da Japan eine ausgeprägte Badekultur hat, sind sie für einen Ryokan fast Pflicht.
Reiseplanung mit ChatGPT: Auch mal mit dem Partner sprechen
Das Bad ist, wie bei uns die Thermen, für die Gemeinschaft gedacht. Da mein Partner und ich aber tätowiert sind, sucht uns die Frau im Reisebüro ein Ryokan mit privatem Onsen. Tätowierungen sind im japanischen Bad nicht erlaubt.
Damit hat die Travelhouse-Beraterin den Textroboter ChatGPT schon nach einer Viertelstunde in den Schatten gestellt. Zuletzt die Frage nach dem Budget, in welchem Bereich bewegen wir uns da? Selbstbewusst piept es aus mir: 8’000 Franken, war das doch die Schmerzgrenze der KI. Meinem Partner fällt die Kinnlade auf den Tisch.
Vielleicht spreche ich das nächste Mal auch noch kurz mit ihm. Und nicht nur mit der Künstlichen Intelligenz.
Übrigens: Hier gibt es mehr Japan
Das waren jetzt viele Daten und Informationen zu Japan. Wenn das dazu führt, dass Du gwundrig und heiss auf Nippon wirst – da hab ich was für Dich.
Klicke hier, und schon landest Du in Yokohama, im Beitrag aus der Internaut-Stadtstrassen-Serie Starke Strecke.
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