Auf zwei Rädern durch eine neue Stadt – könnte anstrengend werden. Es sei denn, man wählt die Vorausfahrt per Internet. Hier spurt Cyclodeo ein.
Nach einem vertrauenswürdigen Chinesen frage ich immer. Auch nach einem währschaften italienischen Restaurant. Wo es eine Bar mit Eingeborenen und einen gut sortierten Vintage-Laden gibt ebenso. Nach Velostrecken frage ich nicht an der Rezeption eines Hotels. Nicht mehr.
Zu oft haben mir professionelle Begrüsser, die in ihrer Stadt selten bis nie auf zwei Rädern unterwegs sind, hilflos lächelnd einen Stadtplan ausgehändigt und ihren manikürten Zeigefinger auf eine weit entfernte Grünfläche gelegt.
Cyclodeo: Velo-Vorwissen per Video
Oder mich auf direktem Weg in den Verkehrsinfarkt geschickt. Wie man eine City per Velo am schönsten und elegantesten erfährt, ist Vertrauenssache. Vor allem, wenn man es abseits der offiziellen Fahrradstreifen tun will, die eine Tendenz haben, ausserhalb des Touristenperimeters abrupt zu enden.
Aber wer soll einen einführen, wenn man in seiner Wunschstadt keinen Zugang zu verlässlichem Velowissen hat und sich nicht erst vor Ort einlesen will?
Eine schöne Variante finde ich das Vorfahren per Internet. Basisdienste dazu leistet der Youtube-Kanal von Cyclodeo. Das Kofferwort aus «Cycle» und «Video» weist darauf hin, dass hier Enthusiasten aus aller Welt Velostrecken auf Video festhalten.
Per Split-Screen durch die Velo-City
Als Stadtfremder kann man sich darauf verlassen, dass bereits ein Velo-Vorkoster abpedalt hat, was man später gern selber erfahren möchte. Oder sich auf keinen Fall antun will.
Zunächst wählt man auf der niederländischen Online-Plattform eine der Routen in der gewünschten Stadt und verfolgt dann auf einem Splitscreen einerseits den Stadtplan und andererseits das Video des Velozipeden. Wobei die Tonspur ausdrücklich Geschmackssache ist.

Derzeit sind zwei Dutzend Citys präsent, von Osaka und Seoul bis Berlin, baltische Städte ebenso wie Paris, London, Stockholm und natürlich Kopenhagen, selbst ernannte Velohauptstadt der Welt.
Dort wurde ich einst meinem Vorsatz untreu und erkundigte mich an der Rezeption meines Hotels nach einer Route. Die diensthabende Dame legte mir die ganze Stadt zu Füssen: «Als Velofahrer hast du hier überall Vorfahrt. Den höchsten Hügel schaffst du locker. Es ist der Valby Bakke mit 30 Metern.»
War alles richtig so. Was wohl daran liegt, dass in Kopenhagen jede und jeder ein Velo-Vorkoster ist. Beziehungsweise: Velo-Vorkosterin.
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Zur Anmeldung© SonntagsZeitung; 22.05.2016
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