Immer mehr Airlines spendieren kein Gratis-Essen mehr in der Eco-Klasse. Mies, sagt der Internaut. Okay, sagt die Ernährungsberaterin. Was sagst Du?
Ist es die Verluderung der zivilen Luftfahrt? Oder ein berechtigter Ansatz, die Kosten in der Airline-Holzklasse zu drücken?
Fakt ist: Immer mehr Airlines geben ihren Passagieren auf den billigsten Plätzen keine kostenlose Mahlzeit mehr ab. Jetzt beginnt auch die Swiss mit dieser Unsitte.
Die Idee kam den Schweizer Nationaldüsern schon letztes Jahr. Die Seuche grassierte in ganz Europa, wie das deutsche «Handelsblatt» unter dem Titel «Abschied vom Gratis-Essen über den Wolken» schrieb.
Um gegen die aggressive Easyjet bestehen zu können, trug sich Swiss mit dem Gedanken, auf Kurz- und Mittelstrecken ab Genf (und auf Rückflügen dorthin) in der tiefsten Economy-Preisklasse keinen kostenlosen Imbiss mehr abzugeben. Prophylaktisch sandte der Internaut damals einen flammenden Appell: «Sei grosszügig, Swiss und tu es nicht!»
Hungair auf billigen Plätzen wird Realität
Es hat nichts genützt. Der Hungair auf den billigsten Plätzen der Swiss wird Realität. Ende Mai geht es los. Zunächst einmal ab dem Flughafen Genf. Die Schweizer Airline hat über die neuen Sitten so informiert: «Gäste mit Economy Light Tarifen erhalten Mineralwasser als freies Basisangebot.»
Gerne machen wir den Satz hier noch fertig: Sollten die sehr verehrten Billig-Gäste aber Hunger verspüren, müssen sie sich Esswaren an Bord erkaufen.
Gratis-Essen im Flugzeug: Nicht gut, aber gut genug
Natürlich weiss der Internaut, dass die Verpflegung in der Economy-Class kein Heuler ist. Das Sandwich: eher auf der trockenen Seite. Die Taschenpizza: Bringt jeden Pizzaiolo zum Heulen. Und trotzdem: Ich freue mich jedes Mal darauf. In der speziellen Situation, tausende Meter über der Erde unterwegs, beisse ich lustvoll rein in jedes spendierte Flugi-Food-Brötchen.
Und da bin ich wohl nicht der einzige. Wie emotional aufgeladen das Airline-Sandwich und damit das Thema Gratis-Essen an Bord ist, haben die Kollegen von Aerotelegraph jüngst sehr schön aufgearbeitet.
Aber eben: Um Kosten und Preise zu drücken, rückt jetzt auch die Swiss dem Gratis-Sandwich zu Leibe. Wie kommt der Swiss-Entscheid in der Fachwelt an? Nun, sie ist gespalten:
Essen im Flugzeug: Das sagt die Konkurrenz
Der Internaut hat es gerne gelesen: Sogar der Chef von Easyjet ist auf seiner Seite: «Dass Swiss in Genf nun einem Teil der Economy-Passagiere die Gratisverpflegung streicht, macht mir gar keine Angst. Indem solche Airlines das Essen streichen, machen sie den Wettbewerbsvorteil zunichte, den sie hatten und der ihr Markenzeichen war», liess Johan Lundgren die Welt und die Swiss jüngst in der «SonntagsZeitung» wissen.
Lundgren fügte an: «Es ist doch so: Essen und Getränke haben früher nichts gekostet, jetzt kosten sie etwas. Für den Konsumenten ist das eine Verschlechterung, es sei denn, die Ticketpreise sinken. Vielfach war das bisher nicht der Fall.»
Was der Easyjet-Big-Boss auch noch sagte: « Es geht ja nicht nur um Kostensenkungen, sondern auch um Zusatzeinnahmen. Die Passagiere sollen zum Kauf von Essen animiert werden.»
Gratis-Essen im Flugzeug: Das sagt die Ernährungsberaterin
Eine andere Sicht hat die Ernährungsberaterin Jsabella Zädow-Oberholzer: «Auf Kurzstrecken ist das kein Problem», sagt die Gründerin des Kompetenzzentrums für Ernährungspsychologie KEP in Zürich, «der Mensch übersteht vier bis sechs Stunden ohne Essen problemlos, das ist sogar gut fürs Gewicht und den Stoffwechsel».
Mal eine Zeitlang nichts zu essen, sei «reine Gewohnheitssache». An die Economy-Verpflegung der zivilen Luftfahrt habe sie sowieso keine gute Erinnerung: Stundenlang vorgekochte und dann in Alufolie warmgehaltene Gerichte hätten ihr «noch nie ein Geschmackserlebnis beschert.» Zädows Konklusio: «Ich zahle für meine Reise lieber 30 bis 40 Franken weniger und bestimme dafür selber, ob und was ich im Flügi essen will.»
Warum Menschen oft so gerne essen im Flugzeug und sich trotz minderer Qualität wie kleine Kinder freuen aufs Gratis-Sandwich, erklärt die Ernährungsberatin so: «Wer nicht am Smartphone herumfingern kann, isst halt einfach etwas. Das ist reine Gewohnheit, eine Art, die Zeit totzuschlagen.»
Kostenlose Menüs im Flugzeug: Das sagt der Internaut
Ich kann den ernährungspsychologischen Aspekt gut verstehen. Aber mein Ärger hat weniger mit Kalorien und Stoffwechsel, als mit Haltung und Service-Exzellenz einer Qualitätsairline zu tun.
Sparen soll man als Firma immer dort, wo es der Kunde nicht spürt. Deshalb: Liebe Swiss, spare nicht bei einem schönen und grosszügigen Ritual des Economy-Erlebnisses. Halte fest an der schönen Geste der kostenlosen Bordverpflegung (die Du ja sicher irgendwo im Ticketpreis drin hast.)
Gratis-Essen im Flugzeug: Das sagt die Community
Und jetzt ist die Bühne frei für die Internaut-Community: Ist der Wegfall des Gratis-Happen ein mieser Service-Abbau? Oder eine gute Art, (hoffentlich) die Preise zu senken?
Oder eine kundenfreundliche Preis-Staffelung des Angebots an Bord? Sag es dem Internauten, sag es der Welt!
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Zur AnmeldungUpdate 2024: Seit diesem Blogpost aus dem Jahr 2018 ist viel Zeit vergangen – und natürlich auch die Pandemie, die das Thema Fliegen und Reisen komplett auf den Kopf gestellt hat.
Nach Corona geht es den Airlines wieder besser, ihre Flieger sind voll, und sie schreiben in der Mehrzahl wieder grosse Gewinne. Und auch das Thema Service-Angebot in der Economy Class hat wieder Aufwind.
Lufthansa-Manager Jens Ritter: Testlauf wider die Bezahl-Unkultur
Jens Ritter jedenfalls scheint sich hier so seine Gedanken zu machen. Der Chef von Lufthansa Airlines sagt im Mai 2024 in einem Interview mit dem Airline-Newsportal «Aerotelegraph»: «Wir führen Testläufe durch, um zum Beispiel Tee und Kaffee wieder gratis auszugeben.»
Das ist doch mal ein guter Start, findet der Internaut. Noch besser wäre es natürlich, wenn es auch etwas Kostenloses zu beissen gäbe. Dem Ruf der Lufthansa würde es sicher nicht schaden, die Bezahl-Unkultur in der Economy-Class auf der Kurz- und Mittelstrecke aufzuweichen. Und dem Ruf der Lufthansa-Tochter Swiss auch nicht.
Mir völlig egal, ob mit oder ohne. Wobei ja zu sagen ist: Die Swiss Sandwiches gehörten zu den besseren. Mir hat immer das Personal leidgetan. Die Verköstigung war doch ein rechter Stress. Eine kleine Packung Sushi einpacken. Dann isst man im Flieger prima.
Hallo Nicole, danke für den Input. Mir tut das Personal jetzt aber noch mehr leid. Weil der Stress grösser wird: Welche Passagier in der Eco hat ein Sandwich zugute – und wer nicht? Das dürfte eine knifflige Sache werden. Übrigens hat Swiss schon 2003 einmal die kostenlose Verpflegung in der Eco abgeschafft – und krebste dann 2005 wieder zurück: https://www.nzz.ch/articleCR70O-1.124824
Die grundlegende Frage ist: Willst Du ein Flugerlebnis oder genügt Dir der Transport von A nach B? Wenn wir den Erfolg der Low Cost Carriers anschauen (und ihre ungebrochenen Zuwachsraten), dann ist auf der Kurzstrecke die Bordverpflegung in der Holzklasse kein Bedürfnis (mehr). Zudem kann sie auf kurzen Strecken wie Zürich-Frankfurt gar nicht mehr konsequent erbracht werden, wenn der Flieger wie eine A-321 voll ist. Auf meinem letzten ZRH-FRA Flug am frühen Morgen (mit Weiterreise nach Aberdeen, sonst würde ich eh den ICE nehmen)reichten der Kaffeevorrat und die Gipfeli bis knapp hinter den Flügel und uns im hinteren Teil wurde beschieden, wir könnten dafür so viele Schöggeli nehmen, wie wir wollten! Natürlich traure ich den Crossair-Zeiten nach, wo der Service an Bord zu jeder Tageszeit und auch auf kurzen Routen exemplarisch gut war und das Fliegen zum Rundum-Erlebnis machten. Tempi passati! Ich rechne heute in der Economy mit nichts mehr, verpflege mich am Boden vor dem Abflug oder erstehe mir ein frisches Sandwich.
Gut gebrüllt, Kurt! Das interessante aber ist ja: Swiss schafft die Kostenlos-Verpflegung ab GVA nicht in der ganzen Eco ab – sondern nur für die billigsten Tickets (Eco-Light). Mir scheint, dass dies den Aufwand eher noch vergrössern wird. Die FA müssen irgendwie rausfinden, wer nun ein Sandwich zugut hat – und wer nicht. Und, wie gesagt: 2003 cancelte die damals junge Swiss die Kostenlos-Verpflegung in der ganzen Eco – und krebste zwei Jahre später wieder zurück. Weil es eben doch ein emotionales Thema ist.
American Airlines hat schon vor 30 Jahren die Kosten der Verpflegung an Bord in den Fokus gerückt.
Wenn jeder Passagier nur eine Olive weniger im Salat hat, könnte die Airline umgerechnet mehr als 37.000 Euro sparen.Bei Billigflieger müssen Passagieren für Essen an Bord längst in die Tasche greifen. Jetzt streben auch Premium-Airlines auf Kurz- und Mittelstrecken in diese Richtung.
Lieber kaufe ich gutes Essen als ich nehme das trockene Sandwich und ärgere mich danach so etwas Schlechtes gegessen zu haben, das mich och nicht satt macht.
Vor etwa 20 Jahren offerierte die Lufthansa direkt am Gate seinen Gästen in einem Regal diverse Früchte, belegte Brötchen oder süsse Gebäck, und aus dieser Auswahl konnte man sich frei bedienen, bevor der Flug von Hannover nach Zürich startete. Diese Art von Angebot wäre eine attraktive Alternative für jeden Fluggast und stellt gleichzeitig eine Kosteneinsparung für die Airline dar.
Bingo Rolf, erinnere mich auch an diese Zeiten. Man nahm (meist) nur das, was man brauchte und/oder Lust darauf hatte. Zudem war alles in essbarer Temperatur und nicht zum Teil fast tiefgekühlt, wie viele der sogenannten „Sandwiches“ im Flug.
Hoi internaut
Vielen Dank für Deinen Beitrag.
Frage: Wie sieht es denn eigentlich bei anderen Verkehrsträgern aus – z.B. der Bahn?
Am Wochenende bin ich mit dem Zug von ZRH nach Stuttgart gefahren – IC der SBB (2. Kl., Sparpreis), Fahrzeit knapp 3h. Kein Gratis-Wasser, kein Sandwich inklusive, keine Schoggi zum Abschied. Unterwegs gab es nur die Minibar – mit einem kleinen Kaffee für 4,70 CHF (!) – und gute, eigene Hausmannskost.
Ich bin der Ansicht, wir müssen heute die Erwartungshaltung an kostenloses Essen und Trinken an Bord anpassen, wenn wir mit der Bahn oder dem Flieger teils zu Spotpreisen (auf Kurzstrecken) reisen (wollen). Ich finde die Verpflegungsdebatte an Bord bei kurzen Reisen überbewertet und muss oft schmunzeln, wenn ich sehe, was manche Airlines ihren Kunden in Hochglanz-Werbung auftischen und an Hochgenuss über den Wolken versprechen. Wenn ich lecker und in angenehmer Atmosphäre essen will, freue ich mich auf eine nette Beiz oder ein feines Restaurant am Zielort. Ansonsten ist es mir wichtig, mit Flieger oder Bahn sicher, pünktlich und möglichst preiswert anzukommen – dafür bin ich bereit, im Gegenzug in Selbstverpflegung zu investieren. Die Zeiten des Schlaraffenlands auf/vor Reisen mit Verköstigung von Früchten, Brötchen und Gebäck wie oben beschrieben kommen nicht wieder – willkommen in der heutigen Reise-Realität!