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Flugmeilen sammeln (I): «Man muss den Wert einer Meile kennen und richtig einschätzen»

Datum

21. Januar 2020

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Home 9 Flugreisen 9 Flugmeilen sammeln (I): «Man muss den Wert einer Meile kennen und richtig einschätzen»

Flugmeilen sammeln (I): Meilenberater Ravindra Bhagwanani erklärt, warum es immer mehr Bonusprogramme gibt, wem sie nützen – und wie man sie richtig nutzt. Plus: Zwei Mythen zum Thema Bonusmeilen, die endlich mal geklärt werden müssen.

Herr Bhagwanani*, wie viele Airline-Meilensammel-Systeme gibt es auf diesem Planeten?
Als ich vor 23 Jahren begonnen habe in diesem Metier, waren es 80. Zur Jahrtausendwende waren wir bei 115; aktuell sind es bereits über 220 weltweit. Über diese Programme von Fluggesellschaften gibt es noch Hunderte von Programmen von Hotelgruppen, Autovermietern, Flughafenbetreibern und Eisenbahngesellschaften.

Warum diese starke Zunahme von Kundenbindungsprogrammen?
In den letzten Jahren haben, mit Ausnahme der Low-Cost-Carrier Easyjet und Ryanair, praktisch alle Airlines ihr eigenes Loyalitätssystem aufgezogen. Vor allem deshalb, weil es für jede Fluggesellschaft wichtig ist, direkten Kontakt und Zugang zum Kunden zu haben. Ein attraktives Meilensammelprogramm ist heute ein erfolgskritischer Baustein für den Erfolg jeder Airline und jeder Hotelgruppe.

Wenn wir bei den Airlines bleiben: Wer profitiert eigentlich mehr von diesen Sammelprogrammen – die Fluggesellschaft oder der Passagier?
Bei einem guten Loyalitätsprogramm profitieren beide, Airline und Passagier. Bei einem schlechten Programm profitiert nur die Airline. In der Tendenz sind die Programme in den letzten Jahren weniger attraktiv für die Kunden geworden; die Airlines hingegen verdienen immer mehr Geld damit, Meilen an teilnehmende Partnerfirmen zu verkaufen.

Flugmeilen sammeln: Ratgeber Meilensysteme, Interview mit Meilenberater Ravindra Bhagwanani
Flugmeilen sammeln: Ravindra Bhagwanani ist Spezialist dafür. (Bild: zvg)

Kommen wir zu einem Mythos: Flugmeilen sammeln lohnt sich nur für Leute, die richtig viel fliegen. Korrekt?
Jein. Tendenziell lohnen sich die Programme für jedermann, da sie ja kostenlos sind. Richtig interessant wird es dann, wenn man pro Jahr mindestens einen Langstreckenflug oder mindestens zehn Flüge in Europa bucht.

Mythos zwei: Wenn man genügend Flugmeilen hat und diese in einen Freiflug oder ein Upgrade in eine höhere Klasse eintauschen will, sind die Flieger sowieso immer voll. Und es klappt nicht mit dem ersehnten Meilen-Einsatz. Korrekt?
Ja. Wer sich als Meilensammler zum Ziel setzt, in der jeweiligen Hochsaison per Freiflug an die dann begehrtesten Ziele zu reisen, hat die Spielregeln nicht verstanden. Die Spielregeln lauten so: Flugsitze zu den begehrtesten Zielen sind zur Hochsaison nur zu hohen Preisen erhältlich und in der Regel ausgebucht. Wenn man jedoch seine Meilen asymmetrisch einsetzt, also ausserhalb der jeweiligen Hauptsaisons reisen möchte, hat man kaum Probleme, die Wunschprämie zu erhalten.

«Man muss den Wert einer Meile kennen und einschätzen. Und: Man darf nicht meilengeil sein.»

Meilenberater Ravindra Bhagwanani

Wie entscheide ich mich richtig, wenn ich als Wenigflieger die Wahl habe zwischen einem teureren Flug, der zu meinem Meilensammelprogramm passt und einem günstigeren Flug mit einem Low-Cost-Carrier, der mir keine Meilen einbringt?
Dazu zwei Dinge: Man muss den Wert einer Meile kennen und einschätzen. Und: Man darf nicht meilengeil sein.

Können Sie das etwas genauer erklären?
Aber sicher. Der Wert einer Meile beträgt in jedem System, ganz grob gesagt, etwas zwischen einem und zwei Rappen oder Cent. Wenn Sie nun die Meilen, die sie mit dem teureren Flug einheimsen, mit der Preisdifferenz zum günstigeren Flug vergleichen, wird der Fall schnell klar.

Wenn ich also beispielsweise in der günstigsten Buchungsklasse für eine Europreise für den Hin- und Rückflug je 250 Meilen erhalte, dann wären diese 500 Meilen etwa zehn Euro wert. Angenommen, der Flug mit meiner Meilen-Airline kostet 300 Euro, der Billigcarrier fliegt mich aber für 250 Euro. Wenn mich der Billig-Carrier 50 Euro günstiger hin- und herfliegt, wäre das also die bessere Wahl?
Ja, in dieser Art. Was eben beweist: Meilengeilheit alleine bringt nichts. Für Leute, die wenig fliegen, ist die Billig-Airline sehr oft die bessere Wahl. Wenn denn die Billig-Airline auch wirklich einiges günstiger ist als die klassische Fluggesellschaft. Anders sieht es aus, wenn man nicht selten fliegt, sondern oft unterwegs ist und damit sogenannte Statusmeilen sammelt.

Ratgeber Thema Flugmeilen sammeln. Reiseblog Internaut im Gespräch mit Meilenberater Ravindra Bhagwanani.
Abheben mit Genuss. Aber den Verstand nicht am Boden lassen. Wenigstens beim Thema Flugmeilen sammeln nicht. (Bild: Pixabay)

Was bringen diese Statusmeilen?
Das ist in jedem Programm unterschiedlich. In der Regel bringt die erste Elitestufe nur beschränkte Vorteile. Wirklich interessant wird es auf der zweiten Stufe: Priority-Check-In, Zusatzgepäck oder Lounge-Zugang sind einige der gängigsten Vorteile. Beim hierzulande verbreitetsten System Miles & More wird für Statuskunden auch der Meilenverfall ausgesetzt, was allerdings in den meisten anderen Programmen ohnehin für alle Kunden der Fall ist.

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Wie passt Flugmeilen sammeln in eine Zeit, welche die «Flugscham» propagiert?
Natürlich muss man die Klimadiskussion ernst nehmen. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die allermeisten Meilensammler nicht zum Vergnügen unterwegs sind, sondern beruflich viel reisen müssen. Seit über 20 Jahren wird darüber diskutiert, ob Meetings auch per Videokonferenz statt mit Geschäftsreisen abhalten kann. Die Antwort ist….

….vermutlich jein?
Ja genau. In gewissen Fällen genügt eine Videokonferenz, aber der persönliche Kontakt hat daneben nichts an seiner Wichtigkeit verloren. 

«Airlines waren und sind nicht gewillt, Transparenz zu schaffen. Ticketpreise sind leicht zu vergleichen, bei Loyalitätsprogrammen ist das schon schwieriger.»

Ravindra Bhagwanani, Meilenberater

Wie wird man eigentlich Meilenberater, Herr Bhagwanani?
Das wurde aus einer persönlichen Passion geboren. Begonnen hat es ganz simpel. Im früheren Geschäftsleben war ich Mitglied zweier Systeme, ich war bei Miles & More sowie dem Programm von Air France. Bald stellte ich zwei Dinge fest.

Welche zwei Dinge?
Erstens: Dass es grosse Unterschiede gibt zwischen den Systemen. Und zweitens: Dass die Airlines nicht gewillt waren und sind, Transparenz zu schaffen. Ticketpreise kann man leicht vergleichen. Loyalitätsprogramme zu vergleichen ist da schon einiges schwieriger.  

Manche nennen Sie den europäischen «Meilenpapst». Okay so für Sie?
Wenn das nicht bedeutet, dass ich zur Audienz muss nach Rom: Okay.

Nächste Woche: Flugmeilen sammeln für fortgeschrittene Anfänger: Wie man richtig sammelt und was man nie tun darf. Wie Bonusmeilen auch bei der Bahn zum Thema werden. Und: Wie viele Systeme nutzt eigentlich der Meilenberater selber?

* Der gebürtige Schweizer Ravindra Bhagwanani, 50, gründete 1996 seine Firma Global Flight, die Firmen und Privatpersonen bezüglich Reise-Kundenbindungsprogrammen berät.

Bhagwanani gehört in Europa zu den Pionieren dieses Metiers; heute ist sein ursprünglich in Frankfurt gegründetes Unternehmen im französischen Plaisance du Touch domiziliert, in der Nähe von Toulouse.

Autor:in

Andreas Güntert

Andreas Güntert

andreas.guentert@derinternaut.ch

Seit 1994 erforscht und beschreibt Andreas Güntert hauptberuflich als kritischer Sympathisant der Wirtschaft die Schnittstellen von Konsum, Gesellschaft und Reise-Industrie. Als Reiseblogger der Internaut lotet er das Reise-Internet aus. Der Internaut ist ein Storyteller – unabhängig, munter, pointiert. Und immer seinen Leserinnen und Lesern verpflichtet.

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