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Home 9 Spanien 9 Menorca 9 Immer ans gleiche Ferienziel: Spiesser oder Trendsetter?

Immer ans gleiche Ferienziel: Spiesser oder Trendsetter?

Datum

20. Juli 2018

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Home 9 Spanien 9 Menorca 9 Immer ans gleiche Ferienziel: Spiesser oder Trendsetter?

Zum 15. Mal nach Menorca, immer wieder nach Berlin, Valencia und Lugano: Manche finden Stammgast-Benehmen langweilig. Ich nicht. Und Du?

Die erste Cervecita im Café Baixamar am Hafen von Mahón. Der erste Sprung in die Fluten an der Cala Alcaufar. Der erste Gang durch die vertrauten Gestelle im Supermercado Taltavull. Die Effilierschere, mit der mir mein Lieblings-Peluquero den passenden Inselschnitt verpasst.

Darauf freue ich mich heute schon, wenn ich bald wieder nach Menorca reise. Ungefähr zum zehnten Mal. Oder wohl eher zum fünfzehnten. Egal. Ich werde mich auch ein sechzehntes Mal freuen. Und ein siebzehntes. Ich reise gern immer ans gleiche Ferienziel

Immer ans gleiche Ferienziel, in meinem Fall Menorca und Valencia. Ist man als Repater ein Spiesser? Oder gar ein Trendsetter?

Immer ans gleiche Ferienziel: Menorca: läuft bei mir diesen Sommer. Wie letzten Sommer schon. 

Einerseits zieht es mich auf die kleine Baleareninsel, weil ich familiär verbandelt bin mir ihr. Aber nicht nur. Ich mag Menorca einfach. Sehr sogar. Aber auch Valencia, wo ich nach zehn Jahren Reisen mit Zählen aufgehört habe. Und Berlin. Und Lugano.

Ich bin, wie es im Touristiker-Jargon heisst, ein «Repeater», ein «Heavy Repeater» sogar. Einer also, der immer wieder ans gleiche Ferienziel hinreist. Hingebungsvollst.

Immer ans gleiche Ferienziel: Warum man so keine Travel-Trantüte ist

Damit grenze ich mich scharf ab von Menschen, die eine Stadt oder ein Land nur einmal bereisen müssen. Danach, sagen sie, haben sie alles erlebt und alles gesehen. «Ich habe Menorca gemacht», würden solche Leute sagen.

Ihr Leitspruch lautet BTDTBTTS. Entziffert bedeutet das: «Been there, done that, bought the T-Shirt». Also: Ort besucht, das wichtigste gemacht, T-Shirt gekauft, Ort abgehakt. Über Repeater wie mich haben sich solche Menschen ihre Meinung selbstverständlich schnell gemacht: Langweiler. Spiesser. Nostalgie-Weichbecher. Holiday-Warmduscher. Travel-Trantüte. Reise-Spassbremse.

Die neueste Trend-Ecke im Baltikum? Easy, geht auch nächstes Jahr

Natürlich bereise ich gern auch Gegenden, die ich noch nicht kenne. Aber der Eifer gewisser Leute, jedes Jahr die neueste Trend-Ecke auf dem Globus im Instant-Modus zu entdecken (oder zu machen), ist mir fremd. Ja, Žvėrynas soll aktuell das heisseste Viertel von Vilnius sein. Aber das kann ich auch nächstes Jahr durchforsten. Oder übernächstes.

Schon gehört von Koh Ta Kiev? Das ist die derzeit offenbar endkrass angesagte kambodschanische Insel für all jene, die nur in der Hängematte schaukeln wollen.
Easy. Da muss ich jetzt nicht auch noch schnell hin. Ich geh lieber nach Menorca.

Immer ans gleiche Ferienziel: Dein Repeater-Argumentarium

Liebe Travel-Wiederholungstäterin, lieber Da-Capo-Verreiser: Wenn Ihr blöd angemacht werden solltet wegen Eures Holiday-Modus, dann habe ich Euch hier ein kleines Argumentarium in vier Teilen:

1) «Andere haken ab. Ich erlebe.»
2) «Andere surfen an der Oberfläche. Ich tauche ein.»
3) «Andere kaufen das T-Shirt. Ich zieh mir das an vom letzten Jahr.»
4) «Andere stöbern das Neue im Neuen auf. Ich finde das Neue im Vertrauten.»

Schauen wir uns das ganze auch noch von der neurologischen Seite her an. Sind Heavy-Repeater irgendwie krank im Kopf? Bei welcher Synapse harzt es? Sind wir natural born Spiessers? Oder Bünzli, wie die Schweizerin und der Schweizer sagen? 

Reisen funktioniert als Ritual-Ersatz

Meine Diagnose zum Symptom des Verreisen im Da-Capo-Modus: Reisen funktioniert eben (auch) als Ritual-Ersatz. Weil viele Menschen zu wenig Zeit und Lust haben, in die immer gleiche Kneipe zum Feierabendbier zu gehen, regelmässig im Turnverein mitzutun oder regelmässig sonntags beim Kartenspiel-Turnier aufzukreuzen, fehlt ihnen möglicherweise ein Ritual.

Und das kompensieren sie dann mit ihrem Reiseverhalten.

35 Jahre lang immer nach Mallorca

Mal habe ich mit einer Frau gesprochen, die seit 35 Jahren nach Mallorca reist. Immer ins gleiche Hotel. Und immer ins gleiche Hotelzimmer (Nummer 205. Und seit sie Kinder hat: 205 und 206).

Eine Spiesserin, die sich nie aus den Hotel-Mauern traut? Von wegen: «Ich erkunde gerne die ganze Insel, um auch die einheimische Küche zu geniessen.»

Menorca? Kenne ich. Und lerne es immer neu kennen

So gehts mir mit Menorca. Mir gefällt es, auf der immer gleichen Insel jedes Mal neue Ecken, Adressen und Strände zu entdecken. Bereist man sein Lieblingsziel zudem mal in einer anderen Saison, oder nimmt an einem Volksfest teil oder wechselt auf die andere Seite des Eilands, eröffnen sich schon wieder komplett neue Blickwinkel.

Vielleicht ist diese erhabene Form der Insel-Hingabe weniger ein Merkmal des Spiessers, sondern des Trendsetters: Ein Zielgebiet nicht mit der Masse überschwemmen, sondern seinen eigenen Weg suchen.
Sich interessieren für sein Ferien-Basis und nicht einfach nur Strand und Sonne konsumieren.

Immer ans gleiche Ferienziel: So viel Ritualin darf sein

Eintauchen in die lokale Welt von Gastronomie, Kunst und Wirtschaft – und seiner Destination so auch etwas zurückgeben. So viel Ritualin darf schon sein, finde ich.

Als ich kürzlich im «Tages-Anzeiger» eine Story über «Heavy Repeaters» schrieb, merkte ich mir vor allem einen Satz eines jüngeren Paars, das jedes Jahr mehrmals ins Engadin reist. «Vielleicht», sagte mir dieser unermüdliche Stammgast, «ist das wirklich spiessig. Aber nur für die anderen.»

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Und jetzt bist Du dran: Sind Repeater Langweiler oder Trendsetter? Und wohin repeatest oder trendsettest Du diesen Sommer?

Und jeden Sommer, der noch kommen wird?

Autor:in

Andreas Güntert

Andreas Güntert

[email protected]

Seit 1994 erforscht und beschreibt Andreas Güntert hauptberuflich als kritischer Sympathisant der Wirtschaft die Schnittstellen von Konsum, Gesellschaft und Reise-Industrie. Als Reiseblogger der Internaut lotet er das Reise-Internet aus. Der Internaut ist ein Storyteller – unabhängig, munter, pointiert. Und immer seinen Leserinnen und Lesern verpflichtet.

Kommentare

6 Kommentare
  1. Dorette Provoost

    Mein Motto: Das Eine tun und das Andere nicht lassen… – Seit 52!!! Jahren fahre ich (früher natürlich nicht selbst – da habe ich dies noch meinen Eltern überlassen) auf den gleichen Camping-Platz in Süditalien. Direkt am Meer gelegen. Manchmal fragen wir uns nach der langen Reise schon, weshalb wir uns das antun. Und dann steigen wir aus dem Auto, riechen die würzige Pinienluft und den soeben angefachten Pizza-Ofen mit Olivenholz, essen das erste Mal im Restaurant und wissen wieder weshalb. Bei unseren Kollegen stossen wir sehr oft auf Unverständnis. Was? Schon wieder? Wieder ans gleiche Ort? Das ist doch langweilig! Nein, ist es überhaupt nicht. Es ist wie Heimkommen. Und je nach Jahreszeit sieht es komplett anders aus. Zum Glück konnte ich auch meinen Mann infizieren. Selbstverständlich reisen wir auch an andere Orte. Aber einmal pro Jahr nach Süditalien muss meistens sein. Auf dem Campingplatz treffen wir auch Gleichgesinnte – alles sogenannte „Repeaters“. Und nun lese ich: es gibt noch mehr von dieser Sorte! Toll! Wir sind doch nicht so exotisch, wie wir dachten!

    Antworten
    • internaut

      Hallo Dorette – 52 Jahre, das ist ja ein Ding. Ich habe mal für die «SonntagsZeitung» eine grössere Story über «heavy repeaters» gemacht. Aber jemand mit einer solchen History ist mir noch nie untergekommen. Finde ich prima. Schöner Gruss, -derInternaut-

      Antworten
  2. Kurt Metz

    Meine Antwort ist klar: Trendsetter! Unsere Insel heisst Korsika und unsere Schweizer Destination ist Gstaad Saanenland. Seit Jahren und wahrscheinlich noch auf Jahre hinaus. Entschleunigen und Geniessen: Das gelingt am besten in vertrauten Gegenden. Und macht Platz frei für Neues, Unbekanntes, Entdeckungswürdiges. Hypes sind out – bleibt höchstens die Frage, ob das eine Alterserscheinung ist oder die Abgeklärtheit eines Vielgereisten. Wahrscheinlich viel von beidem!

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  3. Raphaël Surber

    Trendsetter, natürlich! Was ist das überhaupt für eine Frage.

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  4. Walter

    Ich denke da bist Du weder Trendsetter noch Spiesser, sondern Du gehst schlicht und einfach nach Deinem Gusto. So what?
    Aber die Frage stellt sich natürlich schon, ob es „richtig“ ist, Repeater zu sein.
    Als ich noch mehr Kind war als heute, hatten meine Nachbarn ein Ferienhaus in Schwanden bei Brienz. Da gingen sie jedes Jahr mehrmals hin. Einmal durften wir mit und es war toll. Aber zweimal? Nein danke. Schwanden bei Brienz habe ich an einem Wochenende wirklich „gemacht“.
    Dass sie danach weiter immer ins selbe Ferienhaus gingen, fand ich schon noch langweilig. Für sie. Meine Eltern wollten zwar auch immer an die Côte d’Azur, aber wenigstens immer in eine andere Stadt mit einem anderen Hotel.
    Jedes Mal entdeckten wir etwas neues Megacooles. Die lokalen Fussballjungs am Strand fragten, wann wir wiederkommen. Wir sagten „nächstes Jahr“, kamen aber nie wieder: Wir wollten den nächsten Megastrand erleben.
    Ich glaube dort habe ich den Entdeckervirus eingefangen. Seither sollte es wenn immer möglich bei jeder Reise eine neue Destination sein. Man lernt einfach mehr kennen und es gibt noch sooo viel, das ich nicht gesehen habe?
    Klar, in Berlin, Barcelona und so war ich schon mehrfach. Aber dort hat man einfach immer wieder zu tun. Das zählt nicht in die Statistik.
    Aber Venedig beispielsweise ist eine der wenigen Destinationen, die ich tatsächlich nochmal besuchen musste, nachdem es mir beim ersten Mal so gut gefallen hat. Und tatsächlich sieht man als Repeater alles anders, obwohl es dasselbe ist. Da habe ich vollstes Verständnis für diesen Reisetyp.
    Aber wenn ich vergleiche, was ich alles verpasst hätte, wäre ich Heavy-Repeater… Nein, für mich ist Repeater eindeutig nicht das Richtige.
    Und für meinen Reiseblog natürlich auch nicht 😉

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  5. Vanessa

    Oh, endlich jemand, der mich versteht … Oder besser gesagt, gleich mehrere. Aber gegen Dorette bin ich mit meinen 32 Jahren auf dem gleichen Campingplatz auf der Insel Elba noch recht hintendrein …;-)

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