Langstrasse – kennt in Züri jede und jeder. Heute biegen wir ab vom Mainstream und stechen in die Brauerstrasse Zürich. Hier treffen sich Rotlicht, urbanes Morgenrot und coole lokale Gastronomie.
Dass wir bei der Serie Starke Strecke nicht dem Postkarten-Idyll und den Prachtstrassen verpflichtet sind, bringt uns auch mal an Strassen, die etwas Sumpfblütiges haben. So wie die Brauerstrasse Zürich.
An der Querstrasse zur Langstrasse hat sich immer noch viel Rotlicht-Milieu halten können. Garniert von einer Vielzahl toller Restaurants mit Gerichten aus aller Welt. Abgeschmeckt mit Bars, kleinen Läden, Hinterhöfen und ein paar Ladenzeilen, die reichlich abgerockt anmuten. Ein Spaziergang auf der etwas wilderen Seite von Züri also.
Engelsgleiche Schönheiten beim Biertrinken – kein schlechtes Bild für die Brauerstrasse. Immerhin ist die Strasse im Kreis 4 benannt nach der Brauerei Bavaria, die hier im späten 19. Jahrhundert Hochkonjunktur hatte.
Auch wenn diese Brauerei längst nicht mehr steht: Getrunken wird, das kannst Du mir glauben, immer noch genug an der Brauerstrasse. Und manchmal auch mehr als genug.
Brauerstrasse Zürich: auf der eher wilden Seite von Zürich
Spätestens im späten 20. Jahrhundert dann kam die Brauerstrasse zu landesweiter Berühmtheit. Weil hier ein Etablissement eröffnet wurde, wie es die Schweiz zuvor noch nicht gesehen hatte.
Beim sogenannten Stützli-Sex handelte es sich um eine Peep-Show. Für einen Franken (ein Stützli) konnten Männer (ich glaube, hier muss ich für einmal nicht gendern) 30 Sekunden lang ins Innere blicken, wo sich hinter Glasfenstern nackte Damen räkelten.
Heute ist das Stützli-Sex tempi passati. Die Brauerstrasse hat zwar einiges von ihrem Rotlicht-Flair erhalten, erscheint aber nun aber eher als Ensemble aus ältestem Gewerbe der Welt und neuesten urbanen Entdeckungen.
Bella figura macht die Strasse auch mit ihrem halben Dutzend Schönheitssalons, Coiffeurs und sonstigen Aufbretzel-Stationen. Viel aber gibt es vor allem in der Gastronomie zu entdecken. Sehr viel sogar.
Eine Mahlzeit an der Brauerstrasse
Mit nur einer Mahlzeit wird man der Brauerstrasse natürlich niemals gerecht. Müsste ich mich für nur einen Happen an dieser Starken Strecke entscheiden, würde ich wohl ins Chianalea gehen. Ein süditalienisches Ristorante, unprätentiös, herzlich und mit hübschem Garten ausgestattet. Du hast süditalienische keine Nonna in Deiner Familie? Dann kann Dir das Chianalea als Remote-Nonna dienen.
Besonders angetan aus der Küche des Chianalea hat es mir die Pizza mit Nduja. Das ist eine ebenso würzige wie weiche Streichwurst aus dem Bel Paese. Wer nach dem Essen gleich bei der Italianità bleiben will, wechselt die Strassenseite und gelangt in den Plattenladen Panthera Records, wo auch eine hübsch sortierte Sektion mit italienischen Disco-Klassikern vorrätig ist.
Aber bleiben wir beim Essen. Neben dem hochgelobten Libanesen Za’atar, dem Burger-Paradies The Bite (mit lauschigem Innenhof), dem ebenso quirligen wie günstigen Asiaten Ach’i, der beim Jungvolk beliebten Stubä (Stichwort: Steak Sandwich) sowie dem 2022 als Neuling gestarteten Veganitas mit seinen veganen Pitas gefällt mir auch ein Gastro-Newcomer an der Brauerstrasse gut, der dort 2020 loslegte.
Relativ neu hier ist David Csögl mit seinem Restaurant Knödl tätig. Eine Name, der recht selbsterklärend ist. Denn hier geht es um: Knödel.
Der gebürtige Österreicher, der in Chur aufgewachsen und nun schon lange in Zürich lebt, bringt seit Frühling 2020 die österreichische Spezialität mitten ins Langstrassenquartier.
Dass die Brauerstrasse auch mit ziemlich viel Rotlicht ausgestattet ist, macht Csögl nichts aus: «Das stört mich nicht, es gehört hier einfach dazu», sagt der Knödl-Wirt.
In Zürich wird sehr viel mehr über die deutsche Population gesprochen als über jene aus Österreich. Aber auch letztere existiert offenbar, sagt Csögl: «Ich staune selber, wie viele Österreicherinnen und Österreicher schon bei uns eingekehrt sind.»
Dass die Knödel bei Knödl sehr lecker schmecken – das ist das eine. Aber da gibt es noch anderes.
Etwa einen lauschigen Innenhof auf der Rückseite des Lokals, was man so von der Brauerstrasse aus nie denken würde. Und wenn man dort Glück hat, kommt auch mal Besuch. Vierbeiniger Besuch.
Zôe nämlich, die Trüffelhündin von Knödl-Co-Inhaber Tolis Fragoudis. Das gute Tier findet immer mal wieder Trüffel. Die dann nicht irgendwo verschwinden. Sondern verlässlich Karriere machen. Als Knödel-Topping. Und dies nicht irgendwo. Sondern im Restaurant Knödl.
Ein Kaffeehalt an der Brauerstrasse Zürich
High-Ende-Kaffee-Jünger (gibt es das eigentlich auch weiblich?) werden nicht müde, das hochstehende Coffee-Schaffen von Miró an der Brauerstrasse zu loben. Oder, mit ganzem Namen: Miró Manufactura de Café.
Tatsächlich ein Ort, wo dem Kaffee gehuldigt wird, eigene Rösterei inklusive. Im gleichen Haus befindet sich übrigens der hübsche und gut sortierte Second-Hand-Laden Marta Flohmarkt.
Noch mehr coole Strassen
Der Internaut ist in Grossstädten unterwegs und findet Strassen, die Spass machen zum Essen, Trinken, Shoppen. Strassen, die nicht globalisiert sind – sondern von lokalen und regionalen Angeboten leben.
Mehr erfahrenZürich Brauerstrasse: Drei Bars, drei Top-Adressen
Wer sicher sein will, mittendrin in der Brauerstrasse-Action zu sein, macht bestimmt nichts falsch, wenn er (oder sie) sich einen Drink im Milieu gönnt. Beste Aussicht aufs Treiben auf der Strasse inklusive.
Etwas versteckt, aber ebenfalls ein erstklassiger Tipp: Die Gamper Bar unweit der Brauerstrasse, an der Ecke Nietengasse/Dienerstrasse.
Und weil aller guten Dinge drei sind: Zwar erst 2022 eröffnet, aber bereits 2024 in der «36 Hours in» Zurich Reportage der «New York Times» gewürdigt: Bar Stereo. Hier treffen sich Menschen, die (unter anderem) Lust haben auf Espresso Martini, Musik, Vinyl und Tanzen.
Ein Laden an der Brauerstrasse
Die Brauerstrasse mag zwar bezüglich Essen, Trinken und Beauty mehr bieten als im Bereich des Shoppings. Aber da und dort lassen sich Entdeckungen machen.
Wenn man die betreffende Strassenecke überhaupt entdeckt.
All jene, die von der Langstrasse her in die Brauerstrasse einbiegen (oder eintorkeln), schaffen es wohl gar nie ans ferne Ende unserer Starken Strecke. Lohnen würde es sich aber bestimmt.
Denn an der Ecke Brauerstrasse/Hohlstrasse gibt es schon mal einiges zu sehen von den Möbel-Designklassikern, die H 100 anbietet. Ein paar Schritte weiter, an der Hohlstrasse 100, kommt dann die volle Dröhnung an Stühlen, Tischen und so weiter.
Bezüglich Interior-Design werden Shopperinnen und Shopperinnen an der Brauerstrasse 31 bei Norkind Heimwaren fündig.
Ein Instagram-Moment im Langstrassenquartier
Ganz in jedem Lokal konnte der Internaut nicht einkehren an der Brauerstrasse. Schliesslich gilt es – bis ein tragfähiges Geschäftsmodell für diesen Reiseblog gefunden ist – eine gewisse Budgetdisziplin einzuhalten.
Aber kaum ein Restaurant habe ich so lange betrachtet wie den Hirschen.
Das ich dem Hirschen so viel Augenmerk schenkte, hat weniger mit dem Lokal an sich zu tun. Sondern mit dem Hirsch, der darüber trohnt. Wie das Tier genau zu seinem Wintersportgerät gekommen ist, weiss ich leider nicht.
Was ich aber sicher weiss: Auf Instagram macht sich dieser vierbeinige Balkon-Bewohner bestimmt immer gut.
Ein Mitbringsel aus Zürich Kreis 4
Müsste ich die Brauerstrasse als Getränk beschreiben, kämen mir wohl Attribute in den Sinn, die irgendwo zwischen lieblich und herber Note oszillieren würden.
Und so verhält es sich auch mit dem Mitbringsel von dieser Starken Strecke. Auch die Farbe Rot ist nicht gänzlich unpassend in dieser Gegend.
Gefunden und eingetütet habe ich diesen Schweizer Wermut für 28 Franken bei J. B. Labat. Das Geschäft wird im ganzen Langstrassenquartier für seine Auswahl an Spirituosen geschätzt.
Namensgeber des Ladens ist der Mönch Jean-Bapiste Labat, der im 17. Jahrhundert als Missionar in der Karibik aktiv war. Und – jetzt kommen wir der Sache näher – sich dort auch als Rumbrenner einen guten Namen schuf.
Zürich Brauerstrasse: Anreise ins Langstrassenquartier
Die Gegend ist verkehrstechnisch hervorragend erschlossen. Ab Hautbahnhof Zürich gelangt man per Bus 31 zur Bäckeranlage. Oder dann per Tram Nummer 8 vom Bahnhof Hardbrücke aus.
Wer auf der Anreise gleich noch eine der Sehenswürdigkeiten mitnehmen will (siehe unten), geht vom Hauptbahnhof Zürich aus der Zollstrasse entlang und spaziert dort über die neue Brücke, die tout Zurich entzückt.
Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Brauerstraße Zuerich
Die Bäckeranlage Aussersihl, gemeinhin bekannt als «Bäcki», war lange Jahre ein Hang-Out von Menschen, die gerne einen über den Durst trinken. Und zwar ebenso gerne wie ständig.
Heute ist der historische Quartierpark mit altem Baumbestand und seinen Zebra-Statuen wieder ein hochanständiger Ort, mit Quartierzentrum und bürgerlicher Verweilzone.
Newsletter abonnieren
Jede Woche die neuste Blog-Post des Internauten im Postfach. Du kannst den Newsletter hier abonnieren und jederzeit wieder abbestellen.
Zur AnmeldungLange Zeit war das Kino Roland mit Po im «o» an der Langstrasse eines der berühmt-berüchtigten Sexkinos von Zürich. Die Sexfilme sind weg, der Sex-Appeal aber ist geblieben. Immer mal wieder passiert kulturell Aufregendes in den Mauern des Roland.
Mit etwas terminlichem Glück liess sich im Roland über längere Zeit eine Vorstellung des Films «Cheibe Zürcher», der Schwarzweiss-Dokumentation von Nicolas Yves Aebi und Christoph Soltmannowski über den Kreis 4, der Porträts von Köpfen und unsterbliche Geschichten aus dem Chreis Cheib von Zürich zeigt.
Aktuell werden für das Kino Roland, wie die «NZZ» schreibt, «spritzige Ideen» für eine Zwischennutzung gesucht. Bis Ende 2023 könne man das ehemalige Sexkino an der Langstrasse temporär mieten.
Wie der «Tages-Anzeiger» im November 2023 berichtet, wird das Kino Roland ab 2025 zu einem Club umgewandelt. Dies unter der Führung von Alex Dallas, dem Mitbetreiber des Clubs Zukunft, der im Frühling 2025 schliessen wird.
Und weiter mit den Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Brauerstrasse Zürich: Ein schönes Stück neu-urbanes Züri lässt sich ebenfalls ganz in der Nähe der Brauerstrasse erleben. Wer zu Fuss Richtung Europaallee geht, kann dort den Negrellisteg passieren.
Die Fussgängerbrücke führt über das Gleisfeld des Zürcher Hauptbahnhofs. Irre viel Bahnromantik, besonders schön beim Eindunkeln.
Keine zehn Minuten entfernt von der eher sündigen Brauerstrasse findet sich die Kirche St. Jakob. Die offene City-Kirche am Stauffacher überrascht immer wieder mit einzigartigen Veranstaltungen überrascht.
Was mir besonders gefällt: Der Leitspruch der Kirche, welcher recht gut zu meiner Stadtstrassen-Serie passt: «Suchet der Stadt Bestes!» (Jeremia 29,7).
Brauerstrasse Zürich: Stadtplan und Übersichtskarte
Und noch eine letzte Sehenswürdigkeit. Oder auch zwei. Das Kanzleiareal ganz in der Nähe der Brauerstrasse ist ein Hotspot der Stadtzürcher Kulturszene, mit Disco, mit dem Klein-Kino Xenix und dem stadtweit bekannten Flohmarkt am Samstag.
Und zweitens? Zweitens führt dort eine weitere Starke Strecke entlang: Die Ankerstrasse Zürich.
Noch mehr coole Strassen
Der Internaut ist in Grossstädten unterwegs und findet Strassen, die Spass machen zum Essen, Trinken, Shoppen. Strassen, die nicht globalisiert sind – sondern von lokalen und regionalen Angeboten leben.
Mehr erfahren
top Andreas!
Grazie!
Grossartige Strecke! Und Panthera Records gibt’s immer noch? Der war früher an der Heinrichstrasse und dort hab ich in meiner Stifti mein „Vermögen“ liegen gelassen.
Hey Thomas, danke für Deinen Input! Strassen haben immer auch das Potential als Memory Lane in die Vergangenheit. Tatsächlich, Panthera still around. Heinrichstrasse könnte übrigens auch qualifizieren für eine Starke Strecke. Und mein Stiftenlohn wanderte damals in einen Plattenladen am Seiler- oder Hirschengraben. Leider ist mir der Name entfallen. Aber ich hab die glaubs zimmli reich gemacht. Damals.
Ja, an den Laden am Seiler- oder Hirschengraben kann ich mich noch gut erinnern. Irgendetwas mit „DiscoRec“ oder so könnte der geheissen haben. Und dann gabs noch dem Upstairs im Niederdorf.
Ah, immer dies Namen! Aber ich bring den Namen schon noch raus vom LP-Dealer am Hirschen- oder Seilergraben.
Es wäre schõn würde sich im Quartier mehr grün entwickeln und Bäume gepflanzt.
Was dem Quartier gut täte auch im Sommer, wenn es aufheizt wie im Bachhofen.
Aber Gott sei Dank gibt es Klimanlagen. Aber auch den Geschäften kämme dies zu gute und währe ein mehrwert für alle die hier Leben. Proiekte gäbe es genug für die Staadt Zürich man müsste sie nur Mal umsetzen. Seit über 30 Jahren tut sich nicht’s in den Strassen vom Kreis 4.
Hallo Peter, hast schon recht. In den Städten drin wird es im Sommer zusehends heisser. Da könnte man von städtischer Seite her sicher noch mehr tun, etwa mehr Bäume pflanzen oder besser Beläge wählen. Gruss, -andreas aka der Internaut-