Andere Städte haben einen See. Winterthur nicht. Dafür badet tout Winti an einer tiefenentspannten Starken Strecke mitten in der Altstadt.
Was ist der Unterschied zwischen Winterthur und Zürich? Da gibt es mehrere. Einer davon ist ziemlich augenfällig: Züri hat einen See. Winti nicht.
Aber Winterthur hat etwas, was Zürich so nicht hat. Winti-People brauchen eigentlich gar keinen See. Sie tauchen gleich an ihrer Lieblingsstrasse ins Wasser ein. Im Brunnen. Genauer: In drei Brunnen.
Steinberggasse Winterthur: Brunnenbaden in der Altstadt
Die Steinbergasse Winterthur, bekannt vor allem als Festivalzone und Hauptspielort der jährlichen Winterthurer Musikfestwochen, bietet auch dann viel, wenn Stars und Fans per Ende August das Altstadt-Musikfestival wieder verlassen haben.
Sehr speziell hier sind nur schon die drei Brunnenbecken, gestaltet vom US-amerikanischen Minimal-Künstler Donald Judd. Wasser marsch heisst hier im Sommer auch: Baden marsch!

An der Steinberggasse – im Volksmund zärtlich «Steibi» genannt – ist es sommers das normalste der Winti-Welt, sich in einer der drei Beton-Ellpisen der Judd-Brunnen-Anlage abzukühlen.
Gerne auch in der Gruppe, mit Bier, Aperol Spritz oder einer Batterie Feuerwasser am Brunnenrand. Rund um die Uhr möglich, ohne Anmelden oder so. Für die Winterthurer Brunnenbaden-Kultur gilt: Always open.

In den drei Judd-Brunnen, die in ihrer Anordnung den Lauf des ehemaligen Stadtbachs aufnehmen, der früher durch die Steinberggasse floss, ist auch Platz für Kinder. Die Kiddies schätzen und nutzen die elliptischen Beton-Becken als Kleinschwimmbad mitten auf der Strasse.
Abkühlen, Planschen, Lärmen und Spritzen – Brunnenbaden mitten in Winterthur ist ein herrlicher Spass für die Kleinen. Deren Eltern können derweil von einem der zahlreichen Cafés, Bistros und Restaurants aus zuschauen beim urbanen Winti-Badeplausch.
So verbreitet und beliebt ist das Baden in den drei Judd Brunnen, dass diese Anlage gemäss «Winterthur Glossar» im Sommer als «innoffizielle sechste Badi von Winterthur» gilt. Wir merken uns: Hier hat sich eine ganz eigene urbane Kultur etabliert.
Winterthur Innenstadt: Ein Drink
Einen guten Ausblick auf das Brunnen-Geschehen an der Steinberggasse hat man definitiv von der Terrasse der Bar Albani. Hier ist es, nicht nur sprachlich, ein kleiner Schritt vom Dolce Vita zum Dolce Winti.
Die Steibi, notierte die Winterthurer Lokalzeitung «Landbote» einst, wirke im Sommer wie eine italienische Piazza. Tatsächlich: Lebensfreude, Chillen und Bierli killen ist hier Trumpf. Wer mag, setzt sich als Albani-Gast in einen der Liegestühle an der Strasse.

Das Albani ist ein Lokal mit vielen Facetten: Das Haus funktioniert als Music Club mit Konzerten und Live-Musik, als Nachtclub, Hotel und Bar.
Apropos Bar: Der Cocktail-Klassiker Alabama Slammer wird hier ortsgerecht als Alabani Slammer serviert: Gin, Southern Comfort, Triple Sec, Amaretto. Ach ja, und etwas Zitronensaft und Ginger Ale.
Steibi Winti: Anreise und voller Einblick
Vom Bahnhof Winterthur aus kannst Du zunächst getrost das tun, was fast alle tun.
Flott in die Marktgasse einbiegen, den multinational bespielten Shopping-Hauptstrang der Eulachstadt.

So nach etwa vier Gehminuten tust Du, was nicht alle tun: Du änderst die allgemeine Route und biegst beim Spielzeugwarenladen Franz Carl Weber rechts ab, in die Metzggasse.
Zwei Minuten später trudelst Du ein an der Steinberggasse. Und hier, an der Ecke Metzggasse/Steinberggasse, begegnen wir einer Frau, die ihre Strasse kennt wie die Hosensäcke, die sie – unter anderem – repariert.
Winterthur Steinberggasse: Eine Macherin
Eine Strasse wie die Steibi, die sich auf Facebook als stolze Stadt-Akteurin zeigt, lebt auch von Macherinnen und Machern, die dem Strassenstrang (langes) Leben einhauchen.
Eine solche Macherin ist Marianne Keel. Die selbsternannte Textilretterin führt seit 2009 an der Ecke Metzggasse und Steinberggasse mymake, das Atelier für textile Herausforderungen.

An der Steinberggasse ist Keel sogar schon über 20 Jahre aktiv. Von 2002 bis 2009 war sie hier als Ladenleiterin der Frauenzentrale Winterthur.
Zu ihrer Strasse sagt Marianne: «Die Steibi ist breit und hat Platz für ungenormte Sachen, für Menschen, Märkte und unabhängige kleine Läden.»

Die Stimmung hier habe sich definitiv geändert: «Früher war die Steinberggasse verschlafen, heute ist sie belebt». Urbane Kultur hat Einzug gehalten.
Marianne Keel kann es noch prägnanter ausdrücken: «Früher kam man in die Steibi, weil man musste. Heute, weil man will.» Im Duo sind Steibi und Metzggass zwei Strassen mit Geschichte und Geschichten, quasi die Lebensadern der Stadt.
Noch mehr coole Strassen
Der Internaut ist in Grossstädten unterwegs und findet Strassen, die Spass machen zum Essen, Trinken, Shoppen. Strassen, die nicht globalisiert sind – sondern von lokalen und regionalen Angeboten leben.
Mehr erfahrenDie Steinberggasse, sagt Marianne Keel, lebe unter anderem auch davon, dass sich unabhängige Anbieterinnen und Anbieter halten könnten: «Nicht alles, was hier gemacht und angeboten wird, ist lukrativ. Das geht auch deshalb, weil die Kosten relativ tief sind.»
Was so auch für sie und ihr Atelier für textile Herausforderungen gelte: «Mich zum Beispiel kann es hier nur geben, weil die Miete moderat ist.»
Steibi Winterthur: Eine Mahlzeit
Einer der Klassiker an der Steibi ist die Pizzeria Don Camillo. Von «Kultpizzeria» ist die Rede, ein Ort, wo Winti zusammenrückt.
Anders als in anderen Pizzerien, die auch mal Pasta anbieten, besteht das Programm von Don Camillo aus diesen drei Kompetenzen: Pizza, Pizza und nochmal Pizza. (Okay, Salat und Dolci geht auch).

Was das Lokal, eine der ältesten Pizzerien von Winterthur, auszeichnet: Eine kleine, aber feine Auswahl aus Pizza bianca und Pizza rossa. Mir hat die Bianca-Variante Noci (Fior di Latte, Gorgonzala, Apfel und Baumnuss) gut geschmeckt.
Im Sommer 2023 wird das Don Camillo eine Zeitlang geschlossen sein. Die gute Nachricht: Gegen Ende Jahr wird wieder geöffnet. An der gleichen Strada, an fast gleicher Stelle. Die Pizzeria zieht von der Steinberggasse 51 an die Steinberggasse 52 um.
Steinberggasse Winterthur: Ein Laden
Von «Shopping» würden die Leute an der Steinberggasse Winterthur kaum sprechen. Wohl eher schon vom «Lädele».
Wenn es um Fashion – äh, Bekleidung – geht, ist für die Leute an der Steibi Chez Matos der Laden des Vertrauens.

Protzerei ist nicht Teil der DNA der Winti-People. Man muss sich hier nicht durch das Tragen endkrass modischer Gewänder beweisen.
Wer sich Chez Matos ausstatten lässt, steht eher auf gut abgehangene Jeans-Marken wie Wrangler, Lee und Levi’s. Unaufgeregter urbaner Style. Der Steibi-Tribe weiss und lebt es: Wahres Dolce Winti kommt von innen.
Altstadt Winterthur: Ein Souvenir
Das Wimmelbuch Winterthur ist ein herrliches Mitbringsel aus der Eulachstadt.
In einem Bilder-Krimi führt es durch die ganze Stadt, etwa ins Schwimmbad Wolfensberg, in der örtlichen Lingua als Wolfi bekannt.

In diesem hyperlokalen Ausmal- und Rätselheft kommen ferner zum Auftritt: Das Technorama, der Wildpark Bruderhaus und das Fussballstadion Schützenwiese (Schützi), wo die Gladiatoren des FC Winterthur auftreten und ihre Fans (oft) glücklich machen.
Und klar, auch die Musikfestwochen sind ein Sujet des Buches, das wir bei Werkplatz für CHF 12 (EUR 12.50 Euro) eingetütet haben. Der Werk Platz wird per 30. September 2023 leider schliessen. Das Wimmelbuch gibt es aber auch bei der Buchhandlung Obergass, an der Ecke Steinberggasse und Obergasse.
Winterthur Altstadt: Noch ein Souvenir
Wenn es richtig heiss wird an der Steinberggasse Winterthur, regt sich natürlich auch hier die erste Bürgerpflicht: Keinesfalls dehydrieren!
Was übersetzt in die Steibi-Sommerfolklore ganz konkret bedeutet: Für einen Abend am Brunnenrand (oder im Brunnen drin) ist externe Flüssigkeitszufuhr essentiell.

Neben viel Wasser kann natürlich auch Bier beitragen zu einem optimalen persönlichen Flüssigkeitshaushalt. Gern ein Bier von hier. Gern auch als Frischmacher bei der Brunnenbaden-Kultur oder wenn man um die Häuser zieht.
Im vorliegenden Fall haben wir uns für Winterthurer Biertradition entschieden und uns für CHF 2.70 Franken (EUR 3 Euro) ein Stadtguet-Bier gekrallt. Dort, wo sich tout Steibi flüssig hält: Bei Hako Getränke.
Sonne, Wonne, Steinberggasse
Menschen huldigen ihren Lieblingsstrassen auf verschiedene Art und Weise. Was ich schon oft gesehen habe: Facebook-Accounts oder Websites, die sich ganz gezielt mit einer Strasse beschäftigen.
Was ich aber bisher noch nie gesehen habe: Eine Internetseite wie Steibisonne, die tagtäglich rund um die Uhr den Sonnen- und Schattenstand einer Strasse anzeigt, entlang aller Häuser und Fassaden. Auch grafisch sehr sehr hübsch gemacht. Kompliment!
Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Steinberggasse Winterthur
Winterthur als dröge Industriestadt und langweiliger Cousin von Zürich – dieses Vorurteil über die Eulachstadt hielt sich lange Zeit. Doch das ist Geschichte.
In den letzten Jahren hat sich bezüglich Kultur auf allen Ebenen viel getan in Winti, das sich heute stolz als «Museumsstadt von Weltformat» positioniert. Tatsächlich bietet Winterthur viel in dieser Hinsicht – und vieles davon sehr nahe bei der Starken Strecke Steinberggasse.
o Aber zunächst etwas für Foodies. Sehr nahe an unserer Starken Strecke, nämlich an der Steinberg- und an der Metzggasse, findet jeweils am Dienstag und am Freitag der traditionelle Wochenmarkt statt. Händlerinnen und Händler aus der Region bieten hier ihre Produkte an.
Allzu spät darf man sich dafür aber nicht auf die Socken machen. Der Markt beginn um 6 Uhr morgens und dauert bis 11 Uhr.

o Und nun zur Kultur abseits der Bade-Kultur. Also zu den Museen. Zu den drei Häusern mit der grössten Reputation gehört die Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz. Oskar Reinhart war im früheren Teil seines Lebens aktiver Teilhaber am Winterthurer Welthandelshaus Gebrüder Volkart; danach betätigte er sich als Kulturförderer und Kunstsammler.
o Ebenfalls zur Top 3 der Winterthurer Museen zählt das Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten.
Schwerpunkt hier: Schweizer, österreichische und deutsche Kunst aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Dazu kommen immer auch aktuelle Ausstellungen.

Das Gebäude zu finden, ist keine grosse Kunst. Es befindet sich keine fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt.
Und zwar im Winterthurer Stadtgarten, der gleich neben der Altstadt liegt und als zentralster Park der Stadt gilt.
o Drittes Drittel der Top 3: Das Winterthurer Fotomuseum, das aktuell aber aufgrund von Sanierungsarbeiten von Juni 2023 bis Frühjahr 2025 geschlossen ist. Die Fotostiftung Winterthur hingegen bleibt auch während der Sanierungsphase geöffnet.
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Zur Anmeldungo Okay, vielleicht ist das Attribut «Stadtheiliger» etwas übertrieben für Viktor Giacobbo. Aber neben Sportreporter und TV-Moderator Bernhard Beni Thurnheer ist Komiker, Satiriker und Winti-Urgestein Giacobbo sicher einer der bekanntesten lebenden Menschen aus der Eulachstadt Winterthur.
Und einer der lustigsten sowieso.

Neben all seinen vielen Engagements ist Giacobbo prägende Kraft und VR-Präsident des Casinotheater Winterthur, das sich keine fünf Gehminuten von der Steinberggasse entfernt befindet.
o Ebenfalls fünf Minuten zu Fuss sind es zu einer anderen Stätte, die ich – etwas in eigener Sache getrommelt – ebenfalls in den Rang einer Winti-Sehenswürdigkeit befördern möchte: Die Starke Strecke Winterthur Neustadtgasse. Eine Strasse, die man leicht übersehen könnte. Aber nicht sollte.
Behördliche Posse um Foodstände an der Steinberggasse
Im Januar 2024 kam es zu einer kurzen Posse um Foodstände und Food-Trucks an der Steinberggasse, mitten im Herzen der Winterthurer Altstadt.
Wie die Lokalzeitung «Landbote» meldete, war die Stadt drauf und dran, die beliebten Foodstände aus dem Herzen der Innenstadt zu verbannen. Die Behörden reagierten damit auf Beschwerden aus dem lokalen Gewerbe und von Restaurants, welche die Food-Trucks und Foodstände als zu grosse Konkurrenz empfanden.
Der mediale Aufschrei und die allgemeine Empörung darüber war so laut und gross, dass es kurz darauf zu einer Korrektur kam. Die Stadt bewilligte die Foodstände nun doch wieder. Der Entscheid sei ohne das Wissen der zuständigen Stadträtin Stadträtin Katrin Cometta, Vorsteherin des Winterthurer Departements Sicherheit und Umwelt, gefallen.
Immerhin wusste spätestens seit dieser behördlichen Posse nun alle Menschen in und um Winterthur, dass es an der Steibi, im Herzen der Winterthurer Altstadt, eine reiche Szene an Foodständen und Food-Trucks gibt.
hallo herr güntert,
marianne kehl war gerade bei mir und hat mich auf ihren blog aufmerksam gemacht. ich „bin“ die jeans-boutique „chez matos“, leider waren sie nicht während meiner öffnungszeiten in der steibi unterwegs… sorry… nichts destotrotz, ich bin begeistert von ihrem bericht über unsere steibi!!!! ich bin auch im vorstand unserer gassenvereinigung steinberggasse-metzgasse.ch, deshalb möchte ich sie anfragen, ob wir diesen beitrag mit unserer homepage verlinken dürfen… das würde uns natürlich sehr freuen.. besten dank für ihre zeit, ihre arbeit und ihre hoffentlich positive rückmeldung.
freundliche grüsse aus dem „nicht fashion“ sondern bekleidungs- oder jeansgeschäft „CHEZ MATOS“ seit 50 Jahren… 😀
susann schulthess
Hallo Frau Schulthess, hallo Winti, hallo Steibi. Klar dürfen Sie den Beitrag dort veröffentlichen, das freut und ehrt mich natürlich. Guter Gruss und gern bis bald, -andreas güntert aka der Internaut-