Corona hat Viselio eiskalt erwischt. Gleichzeitig hat die Pandemie dem Berner Visa Startup ein neues Geschäftsfeld fürs Thema Reisen eröffnet. CEO Niklas Zeller erklärt, wie er auf zwei Kufen durch die Krise navigiert.
Den Startup-Kinderfinkli ist Viselio längst entwachsen. Der digitale Visadienst startete 2016 in Bern mit der schnellen und kostengünstigen Beschaffung von Visa für China, Indien, Russland und Vietnam. Damit auf Reisen und am Flughafen bei Einreise und Ausreise alles glatt läuft.
Inzwischen hat Viselio-CEO Niklas Zeller, 25, das Angebot stark ausgebaut. Sein Unternehmen beschäftigt 32 Leute, 26 davon sitzen in Belgrad. Dass der Jungspund überhaupt als Schweizer Startup-Unternehmer im Geschäftsfeld Travel unterwegs ist, kann nicht bloss Zufall sein.
Viselio: Corona als Business-Stopper – und als Chance
Niklas’ Vater (und gleichzeitig Präsident des Travel Techs) ist Roland Zeller, einstiger Gründer von Travel.ch, frühzeitiger Investor von Getyourguide sowie als wieselflinker Serial-Entrepreneur und Business-Angel tief drin im Thema Travel Tech. Vater und Sohn Zeller: Ein Swiss Dream Team der Reisebranche.
Noch zu Beginn des Jahres 2020 sah die Welt für Viselio aus wie ein vorbereitetes Business-Feld, das es nur noch abzuernten galt. Dann kam Corona, die Tourismuswelt stand still, niemand brauchte mehr Reisevisa, weil es kaum mehr Reisende gab, erinnert sich Niklas Zeller: «Ohne Vorlaufzeit mussten wir mit ansehen, wie unser Business in wenigen Tagen auf Null abstürzte.»
Was andere Geschäftsleute um den Schlaf bringen könnte, war für den Vislio-Chef ein Grund, das Geschäft für sein Reise-Start-up neu zu denken. «Wir arbeiteten uns ins Thema Corona-Tests ein», erzählt der Entrepreneur, «und kamen mit einer ersten Lösung auf den Markt.»
Wenn dereinst das Reise-Virus zurückkehren wird, glaubt Zeller, werde auch der Corona-Test weiterhin eine Rolle spielen: «Beides kann parallel weiterlaufen. Wir fahren zweigleisig.»
Keine Angst vor Riese Roche
Natürlich agieren neben Viselio eine Menge anderer Player auf dem Markt der Corona-Tests fürs Reisen. Kürzlich sorgte etwa Roche für Schlagzeilen. Der Pharma-Riese wolle, so lautete die News, einen neuen Antigen-Nasenabstrichtest lancieren, der zu Hause leicht anzuwenden sei und nur gerade um fünf Franken kosten würde.
Niklas Zeller sieht darin keine unmittelbare Bedrohung für sein Geschäftsmodell: «Der Roche-Test wird so in der Schweiz mittelfristig nicht zugelassen werden», sagt der Viselio-Chef. «Denn beim Test zu Hause fehlt ein Rahmen und die Kontrolle. Im Moment verbietet die Medizinprodukteverordnung (MepV) ausserdem die direkte Abgabe von In-Vitro Diagnostika an Privatpersonen.» »
Corona-Tests: Zusammenarbeit mit Partnern
Für die PCR-Tests arbeitet Viselio mit einem Partnerlabor, dieses stellt und bietet das Material für das Kit und führt die Analysen durch. «Für die Schnelltests», erklärt Zeller, «arbeiten wir einem Telemedizin-Partner zusammen.»
Das Produkt, das Viselio dabei gerne einsetzen würde, ist ein in der Schweiz zugelassener Antigen-Schnelltest. Dieser, sagt der Jungunternehmer, werde ebenfalls in Apotheken eingesetzt.
Welches Problem löst Dein Startup?
Zu Beginn löste Viselio nur ein Problem, nun lösen wir zwei. Lösung eins: Mit unserer innovativen Software vereinfachen wir das komplizierte Antragsverfahren für Touristen-Visa, Geschäftsreisen-Visa und Arbeits-Visa. Unser Visadienst holt schnell, digital und kostengünstig Visa für 85 Länder ein. Lösung zwei: Seit Corona-Ausbruch helfen wir Reisenden, selber PCR- oder Antigen-Schnelltests durchzuführen. Und somit fit für die nächste Reise zu sein.
Und wie tut Viselio dies?
Im Fall der Visa entfällt durch unsere digitale Lösung der ganze mühsame Papierkram. Der einzige physische Schritt: Kunden schicken uns ihren Pass, danach holen wir die nötigen Visa ein. Beim Thema Corona ist es so, dass wir einen Covid-19-Antigen-Test für zu Hause anbieten. Dieser ist viel schneller und günstiger als der PCR-Selbsttest, den wir im Mai 2020 lanciert hatten.
Wie kam es zum Namen Viselio?
Ganz einfach: Wir wollten einen Kunstnamen haben, der das Thema «Visum» in sich trägt und bezüglich Aussprache und Verständlichkeit weltweit funktioniert. Voilà.
Wie verdient Dein Startup Geld?
Bei der Visa-Vermittlung leben wir von einer Gebühr, die abhängig ist von der Komplexität der Reise. Die Preise für die Vermittlungsgebühr beginnen dabei bei 75 Franken pro Visum. Der Antigen-Schnelltest für die Heimanwendung kostet inklusve Telehealth-Consulting und Testzertifikat 85 Franken; beim PCR-Test sind es 165 Franken. Das Visa-Geschäft ist vom Return her einträglicher, aber dafür auch komplexer im Handling als das Business mit den Corona-Tests. Im Covid-Geschäftsfeld erhöht sich unser Einkommen hauptsächlich durch die Masse der vermittelten Tests.
Wer ist die Zielgruppe von Viselio?
Grundsätzlich sind es Menschen, die reisen müssen oder reisen wollen. Im Visa-Bereich haben wir mittlerweile eine sehr breite Kundenbasis: das reicht von Individualreisenden über Geschäftsreisende, Reisebüros und Reiseveranstalter bis hin zu Kreuzfahrt-Reedereien.
«Die Malediven haben unser Geschäftsjahr gerettet. Oder mindestens etwas verschönert.»
Niklas Zeller, CEO Viselio
Welches ist Eure grösste Herausforderung?
Das Visa- und das Covid-Geschäft ist zwar verschieden, letztlich aber zielen beide Geschäftsfelder auf das gleiche Thema: Unseren Kunden die Reise erleichtern. Und da ist das derzeitig schwache Reisevolumen natürlich für beide Bereiche die allergrösste Herausforderung. Diesbezüglich war der Dezember 2020 ein hervorragender Monat, weil es eine grosse Reise-Bewegung in den Indischen Ozean gab. Die Malediven haben unser Geschäftsjahr gerettet. Oder mindestens etwas verschönert.
Welches sind die nächsten Meilensteine?
Wir bauen an vielen verschiedenen Neuerungen, grundsätzlich aber zielen wir darauf ab, beide Themen – also Visa und Covid-Testing – zusammen im Paket anzubieten. Aktuell ist das Covid-Testing unser Hoffnungsträger. Aus heutiger Optik gehe ich davon aus, dass uns dieses Thema noch bis Ende 2021 oder Anfang 2022 intensiv begleiten wird.
Welches war der bisher grösste Flop? Und was hast Du daraus gelernt?
Ein Flop ist es nicht, aber traurig natürlich schon, dass wir bereits Ende 2019 den Schritt in die USA vorbereitet hatten, der 2021 mit einem Geschäftssitz in New York hätte stattfinden sollen. Covid hat das fürs erste verunmöglicht. Ein wichtiges Learning bisher: Bei grösseren Vorhaben, etwa IT-Integrationen, ist es wichtig, dass man sich nicht zu sehr von Euphorie leiten lässt. Sondern immer auch an personelle und technische Ressourcen denkt. Und all das zuvor sauber abgeklärt hat.
Noch mehr Reise-Startups
Der Internaut hat ein Herz für touristische Startups. Als kritischer Sympathisant der Wirtschaft spricht er mit Gründerinnen und Gründern, die in der Reisewelt einen Unterschied machen wollen.
Alle Startups entdeckenWie gross soll Dein Startup in drei Jahren sein?
Bis in drei Jahren sollten wir unsere Länder-Aktivität in etwa verdoppelt haben. Das würde bedeuten, dass wir dann in 20 bis 25 Ländermärkten aktiv wären, immer auch gut ausgestattet mit Logistik-Partnern für das Visa-Handling.
Wo steht Viselio in zehn Jahren?
In dieser Zeit wird das Thema der digitalen Identität wohl immer wichtiger werden. Bis in zehn Jahren sehe ich uns im Visa-Geschäft als international bewährte Brücke zwischen der digitalen Welt und dem Papier, das es wohl auch dann immer noch geben wird.
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Zur AnmeldungNews Update: Was seither geschehen ist
Im April 2021 lanciert Niklas Zeller am Flughafen Zürich-Kloten ein neues Corona-Testcenter mit günstigen Preisen für PCR-Tests. Anstelle eines Nasen-Rachen-Abstrichs kommt ein Speichel-Test zum Einsatz.
Das Testzentrum befindet sich in den Räumlichkeiten des Radisson Blu Hotel Zurich Airport beim Terminal 1 und ist täglich von 7.00 bis 20.00 Uhr geöffnet. Zusätzlich betreibt das das Visa- und Corona-Startup neu die Testlounge Airside im Flughafen Zürich-Kloten, dies in Zusammenarbeit mit DNATA.
Viselio als «Aldi im Test-Business»
Grosser Medienauftritt für Viselio im Juni 2021: Die Schweizer Zeitung «Blick» begleitet PCR-Speichelproben vom Testcenter in Zürich nach Tschechien, wo sie in Karlsbad zur Analyse ausgewertet werden.
Wegen seines tiefen Test-Preises von 119 Franken verpasst der «Blick» dem Startup in seinem Artikel das Etikett des Preisbrechers und eines «Aldi im Test-Business». Wie das Blatt ferner schreibt, sollen anfangs Juni 2021 zusätzlich zum Flughafen Zürich zwei neue Viselio-Testcenter-Ableger in Luzern und Basel öffnen.
Wie ein paar Tage später bestätigt wird, stimmt diese Information. Auch in Luzern und Basel finden sich die Viselio Testcenters in den Hotels von Radisson Blu. Ende Juni 2021 kam zudem ein neues PCR-Testcenter im Einkaufszentrum Welle 7 beim Bahnhof Bern hinzu.
Viselio verkauft sein Visa-Geschäft
Wie im Februar 2022 bekannt wird, hat Viselio sein Visa-Geschäft abgestossen. Wie «Travelnews» berichtet, hat das Startup von Niklas Zeller seine Visaprozessierungs-Software an CIBT verkauft, den Weltmarktführer bezüglich Mobilitätsdienstleistungen für Unternehmen und Privatpersonen.
Im Bereich der Covid-Tests und der allgemeinen Gesundheit auf Reisen werde Viselio weiterhin aktiv bleiben.
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