Warum ist Automiete eigentlich oft immer noch so vorgestrig organisiert? Das dachte sich der Schweizer Renta-a-Car Profi Marco Venturini. Und lancierte Enterprise Go.
Die Automiete ist ein merkwürdiger Zwitter aus Online- und Offline-Geschäft. Zwar ist es schon seit vielen Jahren üblich, Mietwagen über das Internet zu reservieren.
Aber bevor man das gewünschte (oder zugeteilte) Auto übernehmen kann, steht in aller Regel immer noch ein Gang an einen Schalter an. Was dann oft bedeutet: Anstehen.
Kaum jemand kennt dieses Thema so gut wie Marco Venturini. Der Zürcher Unternehmer ist seit Jahren im Auto Rental Business drin: Logistik, Controlling, Yieldmanagement, Flottengeschäft – kaum eine Zuckung aus dem weiten Feld der Automiete ist Venturini fremd.
Was sich der amtierende Managing Director von Enterprise Switzerland (Alamo, Enterprise, National) schon lange fragte: «Warum eigentlich ist im Reisegeschäft praktisch alles digitalisert worden– aber das Thema der Automiete in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts stehen geblieben?»
Enterprise Go umfährt den Schalter
Marco Venturini liess es nicht bei der Frage bleiben. Sondern erfand die Antwort gleich selber: Anlässlich seiner Weiterbildung zum Master of Business Administration MBA schrieb er eine Masterarbeit zum Thema «Die Automiete der nächsten 10 Jahre».
Dann schritt Venturini zur Tat, überbrückte den «Missing Link» und gründete Ende 2019 eine App-basierte Autovermietung, die den Schalter weglässt. Und den Autoschlüssel gleich auch.
Was Venturini bei der Anwendung von Enterprise Go wichtig ist: «Als Übermittlungstechnologie verwenden wir nicht etwa das Mobilfunknetz, das in Tiefgaragen störungsanfällig sein kann. Wir setzen auf Bluetooth, weil das überall funktioniert.» Zusammenfassen könne man das ganze Meccano so: «Enterprise Go Automiete bringt Schalter und Schlüssel in die App.»
Marco, welches Problem löst Dein Startup?
Enterprise Go eliminiert bei der Automiete den nervigen Prozess am Schalter.
Und wie tut Enterprise Go dies?
Wer über die App von Enterprise Go ein Auto reservieren will, hinterlegt dort seine Zahlungsdaten, bucht sein Auto und bestätigt mittels digitalem Hochladen von Führerausweis, Identitätskarte oder Pass sowie einem Selfie seine Identität.» Bei der Übernahme des Autos funktioniert das Handy als Schlüssel. Der eigentliche konventionelle Autoschlüssel selber ist in einem sogenannten Dongle hinterlegt. Einem smarten Schlüsselkasten, wenn man so will.
Wie kam es zum Namen Enterprise Go?
Im Zentrum steht Enterprise – als weltweit bekannte Marke für Zuverlässigkeit und erstklassigem Kundenservice. Der erste Teil des Namens war also gegeben. Das «Go» ist das Schweizer Supplement und verleiht dem ganzen etwas Pfiff und steht dafür, dass man gleich losfahren kann, ohne den Umweg über den Schalter machen zu müssen.
Wie verdient Dein Startup Geld?
Das funktioniert ganz konventionell wie immer bei der Automiete: Die Kunden bezahlen für das Auto, je nach gewünschter Mietdauer. Speziell an Enterprise Go ist dabei, dass wir die Mietpreise nicht je nach Saison hoch- und runterschrauben. Als Partner der SBB arbeiten wir mit statischen Preisen – weil ja die Preise der Bahn auch nicht durch ein Yield Management ständig nach oben oder nach unten sausen.
Wer ist die Zielgruppe von Enterprise Go?
Sehr gemischt. Das reicht von Geschäftsleuten und Touristen bis hin zu Einheimischen, die es schätzen, ab und zu auf ein Mietauto in ihrer Nähe zugreifen zu können. Darunter auch viele Stadtbewohner, die vielleicht gerne ein Auto haben möchten, aber keinen Parkplatz finden dafür. Unser neuester Mobilitätshub befindet sich am Bahnhof Bern, daneben gehören weitere Bahnhöfe zum Netz, für uns und unsere Kunden sind aber auch Standplätze in Wohnquartieren sehr interessant.
Welches ist Eure grösste Herausforderung?
Seit der Gründung haben sich drei Challenges herauskristallisiert. Erstens einmal die Time-to-Market. Wir sind sehr schnell mit unserer App live gegangen, dabei waren gewisse Funktionalitäten noch nicht optimal auf die Kunden abgestimmt. Zusammen mit einer Beta User-Group entwickeln wir die App nach den Bedürfnissen der Kunden weiter.
Noch mehr Reise-Startups
Der Internaut hat ein Herz für touristische Startups. Als kritischer Sympathisant der Wirtschaft spricht er mit Gründerinnen und Gründern, die in der Reisewelt einen Unterschied machen wollen.
Alle Startups entdeckenZweitens ist die Logistik, wie immer bei der Automiete, eine Herausforderung. Etwa, wenn Kunden mit einem Mietwagen an einem Standort losfahren – und ihn dann an einem anderen Ort stehen lassen. Solche sogenannten One-Way-Mieten fordern jeden Autovemieter logistisch heraus.
Die grösste Challenge ist aber wohl die steigende Auto-Feindlichkeit von Stadtregierungen. Wir müssen uns dort immer wieder neu erklären und die Vorteile unseres Modells gegenüber dem konventionellen Autobesitz darlegen.
Welches sind die nächsten Meilensteine?
Im Sommer 2022 schalten wir den dritten Update der Enterprise Go App live. Damit verbunden dürften dann auch höhere Volumina und mehr Standorte sein. Aktuell sind rund 80 Mietwagen mit Dongles ausgestattet; unser Service ist an 15 Stationen in Schweizer Städten verfügbar.
Welches war der bisher grösste Flop? Und was hast Du daraus gelernt?
Absolut für ein Modell wie Enterprise Go ist es natürlich, dass das Handy als Autoschlüssel funktioniert. In einem Fall war das bisher nicht gegeben; ein Kunde konnte in Bozen, Südtirol, seinen Mietwagen nicht mehr öffnen. Wir mussten einen Fahrer mit einem Ersatzschlüssel hinschicken, was fünf Stunden gedauert hat. Learning für uns: So etwas darf nicht passieren.
Noch mehr Reise-Apps
Der Internaut testet regelmässig Reise-Apps. Kritisch, unabhängig, glaubwürdig.
Alle Apps entdeckenWie gross soll Dein Startup in drei Jahren sein?
Bis dahin soll Enterprise Go deutlich über 100 Mietautos in Betrieb haben, darüber hinaus sollten wir dann in der Schweiz optimal mit den SBB und weiteren Bahnsystemen vernetzt sein.
Wo steht Enterprise Go in zehn Jahren?
Unsere Mission geht weiter über den Betrieb der smarten Automiete hinaus. Enterprise Go soll zum landesweit bekannten Player der intermodalen Mobilität werden. Unser Nordstern ist also dieser: Führend beim Thema der individuellen und vernetzten Mobilität werden.
Das Automiete-Startup von Marco Venturini ist neben dem Online-Aspekt auch ein gutes Beispiel dafür, wie neues Leben aus den Ruinen blühen kann. In Enterprise Go steckt nämlich richtig viel von der ehemaligen Swissair drin.
Beziehungsweise: Jetzt steckt Enterprise Go in den Swissair-Ruinen drin. Das Hauptquartier von Marco Venturinis Enterprise Go befindet sich in jenem Gebäude am Flughafen Zürich-Kloten, wo sich die Swissair früher um die Uniformierung ihrer Angestellten kümmerte.
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Zur AnmeldungUnd in jenem Raum, in dem die legendäre Airline den Notfall «Brand an Bord» beüben liess, befindet sich nun die Bar von Enterprise. Wände, Böden, Decken – alles schwarz an diesem Ort, wo heute bestenfalls der Durst gelöscht werden muss.
«Schwarz nicht etwa, weil die Farbe so aufgetragen worden ist», bemerkt Marco Venturini, «sondern vom Russ, der in all den Jahren durch die Brandübungen angefallen ist.»
Enterprise Go: News Update
o Im Frühling 2022 gibt Enterprise Go bekannt, dass das Angebot der schlüsselfreien Automiete auf Hotels ausgeweitet wird.
Mit dem Pullman Hotel Basel Europa wird ein erstes Hotel zum Mobilitäts-Hub.
o Im Oktober 2022 kann Enterprise Go eine spannende Zusammenarbeit mit den SBB melden.
An 15 Bahnhöfen in und um Zürich testet das Startup den selbstständigen Bezug von Mietautos. Dieser Test zur Förderung der multimodalen Mobilität soll sechs Monate dauern.
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