An der Calle Maracaibo (Calle 53) riecht es nach Empandadas, Flat White ist ein Fremdwort, und in den Hausecken schlafen Obdachlose. Ja, diese Starke Strecke Medellín Colombia ist für Mutige. Doch nirgendwo pulsiert das kolumbianische Leben so wie hier.
Mit Medellín ist es ja so: Die meisten Touristen, die die zweitgrösste Stadt Kolumbiens zum ersten Mal besuchen, landen zunächst meist einmal im schicken Viertel El Poblado.
Dort kann man sich zwar wunderbar mit Sushi und Mojitos unterhalten lassen, wird sich aber eher früher als später einmal fragen: Was hat das eigentlich mit dem wirklichen Medellin Colombia zu tun?
Antwort: Besonders viel hat das nicht mit Kolumbien zu tun. Und mit Medellín schon gar nicht.
Zeit also, um auszubrechen aus der touristischen Seifenblase.
Medellin Colombia: Raus aus der Bubble. Rein ins Centro
Spätestens jetzt, sagt Anina Torrado Lara*, ist der Moment gekommen, das wahre Herz der Stadt kennen zu lernen.
Und genau dorthin, ins historische Stadtzentrum von Medellín, nimmt uns Anina jetzt mit.
*Anina Torrado Lara, selbstständige Kommunikationsberaterin und Journalistin, führt uns in diesem Gastbeitrag im Stadtviertel Centro, durch die Calle Maracaibo in Medellin, Kolumbien.
Anina lebt seit drei Jahren als digitale Nomadin und arbeitet ortsunabhängig von der ganzen Welt aus.
Derzeit pendelt unsere Autorin zwischen Kolumbien und der Schweiz, macht aber immer wieder Abstecher in andere Länder.
Anina nimmt uns zu zweiten Mal am Händchen für die Internaut-Serie Starke Strecke.
Schon einmal führte uns die digitale Nomadin durch die kolumbianische Grossstadt Medellín, damals durch die Calle Circular 4, im Viertel Laureles.
Jetzt ist Anina wieder auf der Piste für uns. Dieses Mal in der historischen Altstadt von Medellín, dem Quartier Centro. An der Calle Maracaibo (oder Calle 53) treffen wir auf Streetfood-Eistee, ein romantisches Büchercafé und den Elektronik-Himmel.
Plus auf eine erstaunliche Ballung an Swissness. Oder in Spanglish: Medellin Colombia, Suiza-Style. Go, Anina, go!
Röschti y Älplermaggeroni in Medellín
Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Spaziergang durch die historische Altstadt von Medellín , damals mit einer Free Walking Tour. Der Guide führte uns in die düstersten Ecken und vorbei an den hässlichsten Gebäuden. Überall Prostitution, Drogenabhängige, Dealer und bettelnde Teenagermütter.
Ich hakte das Centro ab. Doch dann hörte ich von Lukas. Der junge Berner habe es gewagt, mittendrin ein Schweizer Restaurant zu eröffnen und Rösti und Älplermaggeroni zu servieren. Das wollte ich sehen. Ich fuhr ein zweites Mal hin, war begeistert und wurde zur Stammkundin im Bun Di.
Schritt für Schritt wagte ich mich weiter vor und sah plötzlich ganz andere Dinge: Kulturzentren in Hinterhöfen, versteckte Handwerksbetriebe und Familien, die sich zum Kuchenessen in alteingesessenen Konditoreien treffen.
Kolumbien Medellín: Der Grossstadt-Dorfspaziergang beginnt am Plaza Botero
Wir spazieren in gemächlichem Tempo vom Plaza Botero zum Museo Casa de la Memoria. Die Globalisierung ist hier weit entfernt. Stattdessen geht es zu wie in einem Dorf, alles scheint irgendwie miteinander vernetzt zu sein.
Mein Tipp: nicht zu schnell gehen, sondern immer mal wieder stehen bleiben, zuschauen und warten, was passiert.
Medellin Colombia Centro: Ein Markt
Das Centro wird auch «El Hueco» (das Loch) genannt. Schätzungsweise 12’000 Shops verkaufen in Passagen und an Ständen ihre Waren.
Was nicht nur für Fotografinnen und Fotografen ein ziemliches Wimmelbild ergibt.
«Wird dir in Medellín das Handy geklaut, kaufst du es entweder unter der Metro-Brücke am Parque de Berrio oder im Opera zurück», heisst es.
Das Opera ist ein Elektronik-Himmel an der Calle Maracaibo.
Ein Drink
«Guandólo» ist der kolumbianische Eistee. Panela (Zuckerrohr-Melasse) wird mit Wasser, Limettensaft und Eis gemischt. Viele Strassenhändler bieten die Erfrischung an, manchmal sogar aus frischem Zuckerrohrsaft.
Wer Angst vor Streetfood hat, sei beruhigt: Das Wasser in Medellín wird von einer Schweizer Anlage gereinigt und ist trinkbar.
Medellin Centro, Calle Maracaibo: Ein Kaffeehalt
Kolumbien? Klar, da gibt’s den besten Kaffee! Das ist etwa so falsch wie das mit der «gefährlichsten Stadt der Welt».
In El Poblado gibt’s Third-Wave-Coffeeshops, im Centro heisst der Espresso noch «Tinto».
Er wird in einer Art Samowar aus drittklassigen Bohnen gebraut und im Plastikbecher mit viel Zucker serviert.
Im Büchercafé «El Acontista» erhält man einen anständigen Cappuccino und geniesst das verstaubte Flair.
Altstadt Medellín: Eine Mahlzeit
Der Kolumbianer isst mittags am liebsten gut und günstig. Was so natürlich auch für die Kolumbianierin gilt.
Das beste «Menu del dia» der Stadt gibt’s im Bun Di. Der junge Berner Lukas hat eine kleine Oase geschaffen und zaubert jeden Tag ein kolumbianisch-schweizerisches Menu für 15’000 Pesos (fünf Franken) auf den Tisch.
Die ganze Menu-Auswahl soll hier natürlich nicht verraten werden.
Aber ein paar Stichworte liefern wir: Zürigschnätzlets mit Rösti, Apfelkuchen und hausgemachtes Ginger Beer.
Man muss keine elf Semester Hispanologie studiert haben, um zu merken, dass «Bun Di» nicht Spanisch ist.
Das Wort kommt aus dem Rätoromanischen und heisst soviel wie «Guten Morgen» oder «Guten Tag».
Medellín Colombia Centro: Ein Shop
In der einst luxuriösesten Einkaufsstrasse «Junin» – einer Seitenstrasse der Maracaibo – liegt das Astor.
Vom Schweizer Enrique Bär und seiner Frau im Jahr 1930 gegründet, serviert die Konditorei noch immer Cremeschnitten, Sachertorte und «Lekerly».
Dürfen wir Deinen Blick bitte kurz auf die Dreifach-Reihe rechts aussen lenken. Hier nämlich sehen wir einen local hero.
Den grünen Marzipanfrosch namens «Moro» kennt in Medellín jedes Kind.
Medellin Colombia: Ein Mitbringsel
Kein Kolumbianer käme auf die Idee, dass die «Cafe de Colombia»-Tasse ein Souvenir ist. Ich mag den Klassiker trotzdem.
Die Tassen, die jeder mitteleuropäischen Küche einen gewissen Pfiff geben, sind im Exito-Supermarkt permanent auf Lager.
Kostenpunkt: 9000 Pesos, etwa drei Franken.
Altstadt Medellín: Noch ein Souvenir
Wenn Dir nun eine Kaffeetasse etwas zu banal ist als Mitbringsel, hätten wir auch eine Alternative.
Im oben beschriebenen Restaurant Bun Di finden sich Bildbände über die farbenfrohen Chiva-Busse. Das Postauto Kolumbiens ist fast ganz aus der Stadt verschwunden. Auf dem Land sind sie noch immer Haupttransportmittel.
Ein Instagram-Moment in Medellin Colombia
In den ordnungsliebenden Ländern Mitteleuropas ist es ja so: Organisation ist alles.
Begleitet von Gesetzestreue, Feuerpolizei-Compliance und Einrichtungen, die für alle Ewigkeiten (und alle Erdbeben) halten sollen.
In Kolumbien sieht man das etwas lockerer. Was das Improvisations-Gen etwas wichtiger macht.
Hier etwa mit einem improvisierten Gemüsestand im Hauseingang eines Clubs.
Medellín Centro: Ein Hotel
Wir haben es schon zu Beginn angetönt: Nachts ist das Centro nicht der sicherste Ort in Medellín.
Unser Tipp: Im nahegelegenen Stadtteil Laureles findet man schöne Hotels, beispielsweise das Terra Biohotel: Ruhig und im Gründen gelegen.
Medellin Colombia: Die Anreise zur Calle Maracaibo
Mit der Metro fährt man bis zur Station San Antonio und spaziert von dort durch den Openair-Bazar «El Hueco» zum Plaza Botero.
Am Ende der Calle 53 liegt das Museo Casa de la Memoria. Dort nimmt man die nahegelegene Tranvia (Station Bicentenario) zurück nach San Antonio.
Sehenswürdigkeiten in der Nähe von Medellín Centro
Memorieren wir noch einmal: Drogen- und Bürgerkriege haben Kolumbien und Medellín lange Zeit hart zugesetzt. Im Museo Casa de la Memoria erfährt man die traurige Geschichte Medellíns aus Sicht der Betroffenen (Eintritt frei).
Der Plaza Botero ist der berühmteste Platz der Stadt. Dutzende von Objekten des einheimischen Künstlers Fernando Botero, das Museo de Antioquia und der Palacio de la Cultura ergeben ein spannendes Gesamtbild.
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Zur AnmeldungAm Parque Periodista trinkt man sein Feierabendbier. Einen Steinwurf davon entfernt ist das Salsa-Lokal El Eslabón Prendido.
Das Teatro Pablo Tobón Uribe bietet ein Kulturprogramm von Graffiti bis Comedy. Auch im Centro Colombo Americano finden viele Veranstaltungen statt, beispielsweise werden täglich Arthouse-Filme für 8000 Pesos (2.50 Franken) gezeigt.
Der Salón Versalles in der Calle Junin sieht noch immer aus wie in den 60ern, als die Paisas, die Bewohner des kolumbianischen Nordwestens, die noble Strasse entlang flanierten.
Dafür gibt es sogar ein Verb: es heisst «juniniar».
Für die Serie «Starke Strecke» porträtieren der Internaut und seelenverwandte Autorinnen und Autoren städtische Strassen aus aller Welt, die nicht globalisiert sind.
Kein Starbucks, kein Zara, kein Hennes & Mauritz, kein McDonald’s – sondern lokale und regionale Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur.
«Starke Strecke» ehrt Strassen, die Locals und Zugereiste gleichermassen glücklich machen.
Hier gehts direkt zu allen Starken Strecken.
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