Was die Pandemie für die persönliche Reisetätigkeit bedeutet, erfahren wir derzeit alle selber. Was Corona für die Welt der Reisebücher und Reiseführer heisst, schildert Reisebuch-Autor Tobias Büscher im Interview.
Obwohl es in diesen Spalten meistens um digitale Reise-Phänomene geht, muss der Internaut gestehen: Ich habe eine Schwäche für Reiseführer und Reisebücher.
Ja, so aus Papier. Print eben. Etwa ein Jahr ist es her, seit ich hier mal auf sieben Vorzüge kam, die der gedruckte Reiseführer immer noch zu bieten hat. Nur: Das war vor diesem Virus, das uns alle eiskalt erwischt hat.
Was bedeutet die Pandemie für Reisebücher?
Mit wem spricht man am besten, wenn man die Bedeutung dieser elenden Pandemie für das Genre des Reisebuches erahnen will? Nun, wohl am besten mit einem Reisebuchautor.
Zu einem solchen Gespräch hatte ich kürzlich Gelegenheit. Tobias Büscher – zu seiner Vita und Werk siehe ganz unten – hat sich da nämlich so seine Gedanken gemacht.
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Zur AnmeldungDer deutsche Reisebuchautor malt nicht gerade schwarz.
Aber dunkelweiss ganz bestimmt.
Was bedeutet Corona für einen Reisebuch-Autoren?
Es bedeutet ganz verschiedene Dinge. Leider selten etwas Gutes. Erst kürzlich erhielt ich einen Input von meinem Verlag. Die Botschaft war: Wir Autorinnen und Autoren können nicht damit rechnen, dass all die Bücher, die wir in Vorbereitung und teils schon verfasst haben, tatsächlich erscheinen werden.
Was ist hier der konkrete Einfluss der Pandemie?
Ganz einfach: Corona lässt die Reisebücher rasend schnell veralten. Was aktuell noch in der Pipeline ist, stimmt in vielen Fällen so nicht mehr. Ein konkretes Beispiel aus meinem jüngsten Buch über Galicien und den Jakobsweg, das erst kürzlich erschienen ist: Viele der kleinen Läden und Restaurants an der Strecke haben wegen Corona Pleite gemacht – oder werden es noch machen. Auch deshalb, weil es in Galicien für solche Betriebe keine Staatshilfe gibt.
«Nach Corona müssen alle Reiseführer neu geschrieben werden»
Tobias Büscher, Reisebuchautor
Das beeinflusst aber nur den Service-Teil der Bücher. Ändern sich auch andere Dinge?
Leider ganz bestimmt. Auch das ganze Open-Air-Leben, die Feste und Familienzusammenkünfte draussen, all das, was die Gegend so speziell macht, ist wegen der Pandemie zum Stillstand gekommen. Etwa die beliebten Wildpferd-Treibjagden, die nun wegen der Abstandsregeln nicht stattfinden können. Immerhin haben so die Wildpferde für einmal etwas Ruhe….
Reisebücher müssen ja nicht nur Service und Hinweise vermitteln, sie können auch einfach zum Lesen anregen und das Fernweh stillen oder neu entfachen.
Für den Magazinteil eines Reisebuches oder Reiseführers stimmt das ganz bestimmt. Etwa in der Art, wie auch ein Kochbuch funktioniert. Aber für die Zukunft reicht das nicht. Nach Corona müssen alle Reiseführer neu geschrieben werden.
Wie meinen Sie das?
Erstens einmal, weil viele Details, Tipps und Schilderungen nicht mehr stimmen. Aber es gibt auch eine wirtschaftliche Seite. Den Reisebuch-Verlagen ging es lange gut. Was sie bisweilen etwas schläfrig gemacht hat. Mit der Gefahr, dass sie am eigenen Erfolg kaputtgehen.
Was muss geschehen?
Die Reisebuch-Verlage müssen dringend aufwachen und über Online-Konzepte in Verbindung mit den Büchern nachdenken.
«Es gibt eine Seele der Menschen, die nicht kaputtzubringen ist. Zum Glück»
Tobis Büscher, Reisebuchautor
Das gab es bisher schon: Man kauft ein Buch und erhält damit einen Online-Link mit weiterführenden und aktuellen Angaben.
Ein guter Ansatz – aber das reicht heute nicht mehr. Wenn die Verlage die Zukunft nicht verschlafen wollen, muss das Reisebuch oder der Reiseführer mit neuen Bezahlinhalten weiter gedacht werden. Etwa in Verbindung mit Video-Beiträgen, die sich Leserinnen und Leser im Homeoffice anschauen können. Oder in Kombination mit interaktiven Landkarten, welche die Leser gleich selber ansteuern können. Was dann natürlich auch ganz neue Anforderungen an die Autorinnen und Autoren stellt.
Sehen Sie schwarz für den gedruckten Reiseführer?
So heftig ist es nicht. Corona ist nicht der Todesstoss für Reiseführer. Wenn es gelingt, Wesen und Möglichkeit von Reiseführern neu zu denken und so umzusetzen, dass die Leute bezahlen dafür, dann gibt es eine Zukunft. Gänzlich skeptisch bin ich übrigens auch nicht für die Menschen in Nordspanien: Es gibt eine Seele der Menschen, die nicht kaputtzubringen ist. Zum Glück.
Zur Person: Tobias Büscher, 56, ist ein deutscher Journalist und Buchautor.
Hauptberuflich ist er Dozent für Wissenschaftsredaktion, Journalismus und Onlineredaktion am Kölner mibeg-Institut Medien.
Seinen ersten Guide hat Büscher mit 27 für den Reise Know-How Verlag über Madrid verfasst.
Seither sind weitere Reiseführer hinzugekommen; Büschers Spezialgebiete sind Madrid, Nordspanien und Köln, wo er lebt.
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