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Home 9 Tourismus 9 Mister Tripadvisor, braucht es im Metaverse noch Bewertungen?

Mister Tripadvisor, braucht es im Metaverse noch Bewertungen?

Datum

25. März 2022

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Home 9 Tourismus 9 Mister Tripadvisor, braucht es im Metaverse noch Bewertungen?

Steve Kaufer ist der Gründer von Tripadvisor. Kürzlich sprach ich mit dem Pionier der mächtigen Bewertungsplattform. Nur virtuell – aber das passt ganz gut zum Thema.

Als er 1998 nach Mexiko reisen wollte, hatte Stephen «Steve» Kaufer ein Problem. Der US-amerikanische IT-Profi sah im damals jungen Internet zwar eine Menge schöner Hotelbilder.

Aber es waren die gleichen Hochglanzbilder, die man ihm schon im Reisebüro gezeigt hatte.

Tripadvisor Interview Steve Kaufer
Tripadvisor Co-Gründer Stephen «Steve» Kaufer. (Bild: zvg)

Was Mister Kaufer lieber gesehen hätte: Unabhängige Eindrücke von anderen Leuten, die selber dort waren. Schliesslich wollte Steve seine wertvolle Ferienzeit nicht irgendwo verbringen.

Sondern an einem Ort, der ihn (und seine Frau) mit hoher Wahrscheinlichkeit happy machen würde.

Tripadvisor: Eine Milliarde Bewertungen seit 2000

Weil solche Eindrücke auf die Schnelle nicht verfügbar waren, machte sich Steve selber an die Arbeit. Er baute eine Bewertungsplattform auf: Tripadvisor.

Was der Touristik-Pionier auf den Weg brachte, wurde zum Goldstandard. Eine Milliarde Reviews sind seit dem Jahr 2000 auf der Plattform mit der Eule im Logo veröffentlicht worden.

Trip Avisor Eule Logo 2019
Tripadvisor Eule 2019: Ein Bewertungsstandard, an dem sich viele orientieren. (Bild: Internaut)

Mit der steigenden Beliebtheit von Tripadvisor wuchs auch die Kritik. Einerseits wegen manipulierter «Fake Reviews».

Andererseits störten sich viele Menschen daran, dass Laien auf dieser Plattform etwas bewerten, von dem sie keine Ahnung hätten.

Tripadvisor Interview Steve Kaufer
Tripadvisor Eule 2022: Weniger Farbe, aber weiterhin eine (nicht von allen geliebte) Instanz. (Bild: zvg)

Während Befürworter (und das Unternehmen selber) seit Beginn die «Schwarmintelligenz der Konsumenten» loben, höhnen Gegner über den «Schwarm der Ahnungslosen».

Der Internaut sieht es unverkrampfter: Die Reise-Plattform ist dann wertvoll, wenn man sie richtig einsetzt. Und wenn man die Bewertungen korrekt bewertet.

Braucht es im Metaverse noch Bewertungen?

Zwar wird sich Steve Kaufer später im Jahr 2022 von Tripadvisor verabschieden. Aber natürlich wird er das Thema der Bewertungen weiter verfolgen.

Zum Beispiel diese Sache: Was bedeutet es, wenn die Leute dereinst per Virtual-Reality-Brille im dreidimensionalen Internet – dem sogenannten Metaverse – reisen werden?

Metaverse Reisen Tryp Advisor
Per Virtual-Reality-Brille auf Reisen: So soll uns das Metaverse dereinst einlullen. (Bild: Pixabay)

Oder konkreter: Was heisst es für die Welt der Eule, wenn Menschen – wohl als virtuelle Kunstfigur ihrer selbst, als sogenannte Avatare – durch eine grafisch verblüffend echt gemachte Pixel-Welt tappen werden?

Braucht es dann überhaupt noch Bewertungen?

Tripadvisor Interview: Mein Stress, Steves Ruhe

Darüber konnte ich kürzlich mit Steve Kaufer sprechen. Am St. Galler Start Summit, der führenden studentischen Initiative für Unternehmertum und Technologie.

Leider war Steve Kaufer nicht selber vor Ort. Der «Fireside Chat» fand per Zoom-Videoschaltung statt. Der Internaut live-haftig auf der St. Galler Bühne, Mister Kaufer im fernen Massachusetts.

Tripavisor Interview St. Gallen Stephen Kaufer Andreas Güntert Internaut.
Hybrides Interview in St. Gallen: Mister Tripadvisor über die Zukunft des Reisens. (Bild: Screenshot Start Summit)

Meine persönlicherBewertung des Interviews: Tripadvisor-Gründer Stephen «Steve» Kaufer war die Ruhe selber.

Der Internaut hingegen – mindestens im Vorfeld – eher auf der nervösen Seite. Hier ein Auszug aus dem real-virtuellen Fireside-Chat in St. Gallen.

Eine Milliarde Bewertungen seit dem Jahr 2000: Hätten Sie bei der Gründung je gedacht, dass Tripadvisor eines Tages so gross werden könnte?
Steve Kaufer: Das war im ursprünglichen Geschäftsplan überhaupt nicht vorgesehen. Mit viel Glück, einer sehr wichtigen Weichenstellung zu einem frühen Zeitpunkt und einigen wichtigen Entscheidungen, was zu tun und was zu lassen ist, sind wir dorthin gekommen, wo wir jetzt sind. Was die meisten Leute nicht wissen: Ende 2001, direkt nach 9/11, waren wir nur wenige Monate davon entfernt, das Geschäft aufzugeben.

Bewertungen einsammeln und aufschalten ist das eine. Das andere: Wie verdienen Sie für die 3000 Tripadvisor-Angestellten Geld damit?
Unser grösstes Geschäft ist unsere Hotel-Meta-Auktion, die den Nutzern hilft, das richtige Hotel für sie zu finden, und dann eine Reihe von Links zu Websites bereitstellt, auf denen der Nutzer dieses Hotel buchen kann.

Steve, geht das auch etwas konkreter?
Jedes Mal, wenn ein Nutzer auf einen dieser Links klickt, erhalten wir eine Cost-per-Click-Gebühr. Grundsätzlich gesagt: Wenn Sie auf einer Website Besucher haben, die etwas online kaufen wollen – zum Beispiel eine Reise buchen – können Sie viel Geld verdienen, indem Sie diese Nutzer zu einem Anbieter schicken, der die Transaktion dann tatsächlich durchführt.

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Wie kann Tripadvisor ins Geschäft kommen mit Hotels, wenn diese teils schlechte Bewertungen haben? Dort will doch dann niemand hin, oder?
Wenn Hotels sagen, sie würden unser Produkt kaufen, wenn wir die schlechten Bewertungen entfernen, sagen wir nein. In der Reisebranche besteht die hilfreiche Dynamik darin, dass Unternehmen wie Expedia und Booking.com gute und schlechte Hotels verkaufen. Wenn also ein Reisender auf Tripadvisor wirklich ein Hotel mit schlechten Bewertungen buchen möchte, sind Expedia und Booking.com mehr als glücklich, diesen Kunden zu nehmen und ihm diese Hotelnacht zu verkaufen. Und sie zahlen uns eine Vermittlungsgebühr.

Sie müssen eine ganze Armee von Leuten haben, die gefälschte Bewertungen überprüfen. Eine grosse Armee oder eine kleine Armee?
Es hat sich herausgestellt, dass computergestützte Betrugserkennung gute Arbeit leistet, wenn man genug in die Technologie investiert. Und das haben wir getan. Und dann haben wir noch das Trip-Team, das ich als eine kleine, aber sehr gut ausgestattete Armee bezeichnen würde. Kommt dazu: Auch die Gemeinschaft der Reisenden überprüft die Bewertungen.

Trip Adviser Interview Stephen Kaufer Reiseblog Internaut
Reisen im Metaverse: Virtuell ausprobieren, was man später real erleben will? (Bild: Pixabay)

In letzter Zeit wird viel über das Metaverse gesprochen. Was halten Sie davon?
Immersive Erlebnisse im Internet finde ich eine interessante Sache, auch wenn wir mit dem Metaverse aktuell noch ganz am Anfang stehen. Ich hasse das Geschrei in den sozialen Medien, im Gegensatz zur Konversation. Wie bei jeder neuen Technologie braucht es auch beim Metaverse erste erstaunliche Dinge, die man erleben kann. Damit meine ich mehr Nutzungen als bloss immersive Computerspiele.

Werden die Menschen in zehn Jahren lieber per VR-Brille im Internet unterwegs sein als selber in der sogenannten «echten Welt» zu reisen?
Die reale Welt wird immer gewinnen. Da bin ich mir zu tausend Prozent sicher. Was ich grossartig finde: Virtuelles oder immersives Reisen wird den Appetit der Menschen auf eine Weise anregen, wie es Bilder nicht können.

Wird es vielleicht auf eine Mischung aus realer und virtuelle Welt hinauslaufen? Einmal im Jahr 14 Tage Ferien im «echten Leben», aber nach einem stressigen Tag im Metaverse auf Safari gehen?
Ich denke, dass Reisen ein guter Anwendungsfall für virtuelle Realität ist. Genauso wie es Spass macht, Reiseshows im Fernsehen zu sehen. Ich glaube nur nicht, dass virtuelle Trips jemals die Reiselust der Menschen ersetzen können. Während der Covid-Pandemie gab es eine Reihe virtueller Kochkurse und virtueller Entdeckungsreisen – aber nichts davon hat sich wirklich durchgesetzt.


«Ich glaube nicht, dass virtuelle Trips jemals die Reiselust der Menschen ersetzen können.»

Stephen Kaufer, Co-Gründer, CEO und Präsident Tripadivsor

Wenn die Menschen ins Metaverse eintauchen: Werden sie dort noch Bewertungen brauchen?
Natürlich werden die Menschen weiterhin Empfehlungen brauchen. So wie es Bewertungen auch im App Store, bei Netflix, Amazon und so ziemlich überhaupt braucht.

Sind anonyme Bewertungen wirklich immer die beste Entscheidungsgrundlage?
Reisen ist sicher ein Thema, bei welchem Bewertungen von der Masse sehr gut funktionieren. Aber vermutlich nicht für alle anderen Themen. Beim Kauf eines tragbaren Lautsprechers beispielsweise würde ich wohl die Bewertung eines tatsächlichen Experten höher gewichten.

Tripadvisor Stephen Kaufer Start Global St. Gallen Switzerland
Unten: Internaut real. Oben: Tripadvisor-Chef Stephen Kaufer virtuell. (Bild: Start Global)

Brian Chesky, der CEO von Airbnb, sagte kürzlich über das Metaverse, dass die Leute vielleicht eines Tages ein Airbnb im Metaverse für 10 oder 20 Dollar ausprobieren könnten – und auf diese Weise entscheiden, ob sie später im echten Leben in dieses bestimmte Apartment reisen wollen. Was halten Sie davon?
Ich verstehe den Hinweis auf den Preis zwar nicht ganz. Aber natürlich wird es hilfreich sein, wenn man Produkte intensiver als mit zehn Fotos «ausprobieren» kann. Aber auch dann werden die Leute immer noch Bewertungen brauchen, denn diese decken jenen Teil ab, den man in einem Hochglanz-Erlebnis nicht sieht.

«Ich glaube, ich habe noch ein weiteres berufliches Abenteuer vor mir.»

Stephen Kaufer, Co-Gründer, CEO und Präsident Tripadvisor

Sie haben angekündigt, Tripadvisor im Jahr 2022 zu verlassen. Warum das?
22 Jahre auf diesem Stuhl sind eine lange Zeit. Wir haben die Pandemie überstanden, die Reisebranche ist wieder im Aufwind, das Unternehmen floriert, wir haben neue Produkte wie unser Reiseabonnement auf den Markt gebracht… wir haben eine grosse Zukunft vor uns. Und ich glaube, ich habe noch ein weiteres berufliches Abenteuer vor mir… also lassen Sie uns einen reibungslosen Übergang schaffen, bei dem alle gewinnen.

Tripadvisor ist Ihr Baby. Wie schwer fällt Ihnen der Gedanke, sich zu verabschieden?
Aus sentimentalen Gründen ist das schon nicht so einfach. Aber ich hätte nie erwartet, dass ich so lange bleiben würde. Veränderungen sind gut für Unternehmen und für jeden Einzelnen. Tripadvisor wird ein fabelhaftes nächstes Kapitel erleben. Und ich werde mich etwas Neuem zuwenden. Ich habe keine Angst vor dem Scheitern. Fragen, die mir für mich wichtig sind: Lerne ich? Ist das, was ich tue, interessant für mich? Habe ich ein Ziel?

Noch mehr Reise-Startups

Der Internaut hat ein Herz für touristische Startups. Als kritischer Sympathisant der Wirtschaft spricht er mit Gründerinnen und Gründern, die in der Reisewelt einen Unterschied machen wollen.

Alle Startups entdecken

Was ist das nächste Ziel?
Eine Pause einlegen. Tauchen gehen. Neue Energie tanken. Etwas Neues und Wirkungsvolles beginnen.

Steve, weichen Sie etwa der Frage aus?
Nein, tue ich nicht. ich habe momentan einfach nichts Konkreteres als das.

Zum Schluss noch eine Frage im Multiple-Choice-Modus: Wer war Ihr größter Feind in den letzten 22 Jahren?

  • Covid-19?
  • Gefälschte Bewertungen?
  • Online-Reisebüros wie Booking.com mit ihren eigenen Bewertungen?
  • Google?

Google. Das ist das einzige Unternehmen, das ich in der Online-Welt als «upstream» oder stromaufwärts von uns betrachte. Würde Google nicht seine eigenen Ergebnisse auf der Suchergebnisseite bevorzugen, wäre Tripadvisor wesentlich grösser und einflussreicher als es das heute ist.

Wie recht Mr Kaufer hat, das zeigt die Liste der beliebtesten Reise-Apps der Welt, in Europa und in der Schweiz.

News Update: Vormaliger CEO von Lonely Planet wird neuer Chef von Tripadvisor

Beim Gespräch mit Steve Kaufer war noch unklar, wer den Firmengründer an der Unternehmensspitze ersetzen wird.

Im Mai 2022 gibt es dazu Klarheit: Tripadvisor ernennt den ehemaligen Chef von Lonely Planet, Matt Goldberg, zum neuen CEO.

Anfangs 2023 wird bekannt, dass sich Steve Kaufer als Investor bei einem neuen Online-Portal für Kreuzfahrten beteiligt.

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Autor:in

Andreas Güntert

Andreas Güntert

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Seit 1994 erforscht und beschreibt Andreas Güntert hauptberuflich als kritischer Sympathisant der Wirtschaft die Schnittstellen von Konsum, Gesellschaft und Reise-Industrie. Als Reiseblogger der Internaut lotet er das Reise-Internet aus. Der Internaut ist ein Storyteller – unabhängig, munter, pointiert. Und immer seinen Leserinnen und Lesern verpflichtet.

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