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Home 9 Tourismus 9 Überraschungsreisen: Denn sie wissen nicht, was sie buchen

Überraschungsreisen: Denn sie wissen nicht, was sie buchen

Datum

16. April 2017

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Home 9 Tourismus 9 Überraschungsreisen: Denn sie wissen nicht, was sie buchen

Abreisen ohne Ahnung, an welchem Reiseziel man ankommt: Mit Überraschungsreisen wird ein alter Kitzel neu belebt. So geht Blind Booking.

Früher war mehr Spannung. Als Airline-Tickets noch teuer waren, bedeutete eine Flugreise für Normalsterbliche: Abenteuer und Aufregung. Abenteuergefühl, wenn man das vielblättrige Papier-Ticket in der Hand hielt.

Aufregung und Herzklopfen beim Check-In. Freudige Erwartung, wenn elegante Flugbegleiterinnen – man dufte «Stewardess» sagen – mit Flugi-Food anrückten.

Überraschungsreisen: Heute mehr Stress als Surprise

Heute sind die Preise im Keller. Viele Zeitgenossen buchen Jet-Trips so beiläufig wie sie früher ein Bus-Ticket von Effretikon nach Tagelswangen lösten. Man klickt den gewünschten Tarif im Netz an, lädt sich die Boarding-Karte aufs Handy, handyfoniert sich durch die Schranken am Flughafen, zwängt sich in die immer engeren Economy-Sitze – fertig.

Die einzige Unbekannte, die heute bei einem Europa-Kurztrip bald noch bleibt: Müssen wir die Schuhe bei der Sicherheitskontrolle ausziehen oder lassen sie uns inklusive Latschen durch? Und: Braucht es die Corona-Maske nur im Jet? Oder überall am Flughafen?

Falls ersteres der Fall ist, ergibt sich vielleicht noch dieser gruslige Rest-Kitzel: Welcher Mitpassagier hat am meisten Löcher in den Socken?

Überraschungsreisen: Bis kurz vor Abflug gibt es bei Blind Booking Surpirse Trips bezüglich der Destination nur Fragezeichen

Überraschungsreisen: Wohin die Reise geht? Bleibt geheim. Bis zum Abflug. (Bild: Internaut)

Um das Kitzel-Element wieder ein wenig zu beleben, propagieren Jungfirmen eine Form des Reisens, die das «Wohin» verdunkelt. Man bucht einen Trip, weiss dabei aber noch nicht, wohin die Reise führt. Das erfährt man erst am Flughafen, am Tag der Abreise

Eine Überraschungsreise also. Oder Blind Booking, wie das im touristischen Jargon heisst.

Mit dem Konzept der Überraschungsreise treten hierzulande gleich mehrere  Start-ups an. Da ist einmal die St. Galler Firma Surp, die Überraschungsreisen in Europa anbietet. Im Fokus sind Städte, die per Flugzeug nicht mehr als drei Stunden von Zürich oder Basel entfernt liegen.

Blind Booking: Kommt so der Nervenkitzel zurück?

Zum Zeitpunkt der Buchung weiss man noch nicht, in welche Stadt die Reise führt – ein blind booking sozusagen. Das Reiseziel erfährt man erst am Flughafen, wenn einem die Destination in einem orangen Couvert präsentiert wird. Ähnlich funktioniert eine Überraschungsreise beim Zürcher Anbieter Travelsecret.

Ein weiterer Player im weiten Feld der Überraschungsreise ist Wowtrip. Ebenfalls in dieser Art arbeitete bbacksoon; das Ostschweizer Unternehmen hat seinen Dienst im Herbst 2021 aber aufgegeben. Das Walliser Unternehmen Travelise hat bei seinen Überraschungsreisen Destinationen in der Schweiz und Europa im Fokus. 

In Deutschland hat sich das Unternehmen Blookery einen Namen gemacht mit solchen «Blind Booking Städtetrips». Wie andere solche Reisevermittler lebt auch Blookery gut vom Verkauf von Gutscheinen. 

Was natürlich Bestandteil einer solchen Reise per blind booking ist: Wenn man nicht weiss, in welche Stadt man fliegt, kann man sich auch nicht per Wettervorhersage klimatisch vorbereiten. Herrscht am Reiseziel Sonne oder Regen oder etwas Unerfreuliches dazwischen? Surprise, surprise.

Überraschungsreisen wecken Erinnerungen an Swissair

Die Art, wie diese Unternehmen den Nervenkitzel ins Reisen zurückbringen wollen, erinnert mich etwas an die Joker-Hotel-Aktionen von früher. Helvetische Reiseveranstalter verrieten dabei wohl, wohin die Reise ging. Aber erst vor Ort erfuhr man, in welchem Hotel man einquartiert war.

Der Deal: Überraschungsmoment für den Reisenden, Flexibilität für den Reiseveranstalter, der mit seinem Zimmern vor Ort jonglieren konnte. Bei der guten alten Swissair waren einst «Ping-Pong-Flüge» en vogue: Man buchte eine Flug, ohne zu wissen, in welche Stadt die Überraschungsreise führen würde.

Bitte keine Socken-Surprise

Was man in der Regel wusste: Es ging am gleichen Tag wieder zurück. So füllte die Airline Restplätze. Was man heute weiss: Nur schon aus Gründen des Klimaschutz würde diese Art von spontaner Fliegerei wohl stark kritisiert.

Aber das touristische Format Überraschungsflug gibt es nach wie vor. Airlines wie Eurowings oder Lufthansa bieten solches Blind Booking  unter dem Namen Surprise Booking weiterhin an. 

Ich kann mir vorstellen, dass der Reise-Nervenkitzel, wie ihn die Überraschungs-Reisevermittler heute anbieten, für Reisen in der Gruppe spannend sein kann. Etwa für den Firmenausflug, das Mädels- oder Jungs-Weekend. Selber würde ich mich wohl weniger auf eins solches blind Booking einlassen.

Ich brauche keine Extra-Überraschung. Weil für mich der alte Kitzel auch der neue Kitzel ist: Die Reise an und für sich. Abgesehen vom Socken-Thrill, natürlich.

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Überraschungsreisen und blind booking: Auch per Schiff möglich

In aller Regel werden Trips mit zunächst unbekannter Destination mit Flugreisen verbunden. Aber es gibt auch jene Variante, die sich auf Wasser abspielt.

Eine Zeit lang legte der Schweizer Anbieter Ship’n’Train (Globetrotter Group) auf Trampschiffen in Europa sogenannte «Reisen ins Ungewisse» an. Per Frachtschiff reiset man einfach dorthin, wo es gerade Fracht gibt.

Eine Überraschungsreise in dieser Art dauerte in der Regel zwischen 12 und 18 Tagen. Schöne Idee, die aber irgendwann vom Netz genommen wurde.

Überraschungsreise per Bus: Auch wieder von der Spur

Etwas kürzer dauern erdgebundene Surprise-Reisen per Bus. Auch dafür gibt es Angebote. Oder gab, besser gesagt.

Etwa jene des Schweizer Anbieters Zempcar. Die Devise hier: Reiseziel unbekannt, drei Übernachtungen inklusive. Im Jahr 2023 allerdings – Überraschung! – war dieses Angebot nicht mehr online.

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Blind Booking heisst das touristische Stichwort für Überraschungsreisen. (Shutterstock)

Autor:in

Andreas Güntert

Andreas Güntert

[email protected]

Seit 1994 erforscht und beschreibt Andreas Güntert hauptberuflich als kritischer Sympathisant der Wirtschaft die Schnittstellen von Konsum, Gesellschaft und Reise-Industrie. Als Reiseblogger der Internaut lotet er das Reise-Internet aus. Der Internaut ist ein Storyteller – unabhängig, munter, pointiert. Und immer seinen Leserinnen und Lesern verpflichtet.

Kommentare

5 Kommentare
  1. Nicole

    Neuerdings gibt es noch einen Nervenkitzel mehr: Darf ich bis zum Ende der Reise auf meinem Platz sitzenbleiben oder werde ich aus dem Flugzeug geschleift? Ojehojeh! Was waren das noch für Zeiten, als man den Daddy übers Rollfeld begleiten und am Fuss der Treppe mit Küsschenküsschen verabschieden konnte. Happy easter und frohes Reisen allerseits!

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  2. Christian

    Und man lernt nie aus. Danke für’s Scouting! Und für den Lacher wegen den Löchern in den Socken..

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    • internaut

      Löchersocken und Sockenlöcher gibts halt manchmal. Nobody is pörfect, äh perfect

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  3. Fotograf Olten

    Grüß dich Vielen Dank für diesen Artikel.Ich mag Deine Webseite!

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