Drei Wochen Japan, ohne Japanisch zu können: Jetzt zeigt sich, was Sprachübersetzer-Apps drauf haben. Und was nicht.
Die Internaut-Gastautorin Olivia Ruffiner hat einen Japan-Spleen. Doch die Sprache ist eine Herausforderung. Auf ihrer ersten grossen Reise nach Nippon braucht sie einen Sprachübersetzer.
Ideale Testbedingungen also, um endlich einmal zu prüfen, was Apps wie Google Translate für Spracheingabe und Spracherkennung wirklich nützen.
Sprachübersetzer: Eine Lern-App vor der Reise
Meine Reise durch Japan, geplant von Chat GPT und Reiseberaterin, dauert drei Wochen.
Noch nie habe ich ein Land besucht, in dem nicht die Buchstaben verwendet werden, die ich in der ersten Klasse hochkonzentriert mit verkrampften Fingern nachzeichnete.
Strassenschilder, Speisekarten und U-Bahn-Anschriften werden plötzlich unverständlich.
Die Bahn ins traditionelle Tokioter Viertel Ueno beispielsweise ist nicht mit «Ueno» beschriftet, sondern mit den Zeichen «上野». Um mich auf die Japan-Reise vorzubereiten, lade ich die Gratis-App «Kanji Study» herunter.
Japanische Zeichen selber auf den Handy-Screen schreiben
Ähnlich wie bei anderen Sprach- und Quiz-Apps hat man einen Startbildschirm, der einen Überblick über den aktuellen Lernstatus gibt.
Pro Lektion lernt man gut zehn Schriftzeichen – wie in japanischen Schulen beginnt es bei Hiragana. (Hiragana? Ja genau. Weiter unten lernst Du mehr über japanische Schriftfamilien).
Was mir bei der App Kanji Study geholfen hat: Zu jedem Zeichen gab es zusätzliche Informationen, wie es in einem Satz verwendet und wie es geschrieben wird.
Auf dem Bildschirm kann man das Zeichen mit dem Finger dann noch selbst schreiben.
Japaner haben keine Zeit für Englisch. Sie müssen Japanisch lernen
Das Lernerlebnis ist positiv, die Brauchbarkeit hielt sich aber in meinem Fall in Grenzen. Der Grund: Es gibt mehrere Lesarten für einzelne Zeichen, was das Lernen erheblich erschwert.
Mein Tipp: Lieber früh anfangen, wenn es wirklich bei der Reise im Alltag helfen soll.
In Osaka haben wir an einer Free Walking Tour teilgenommen (sehr empfehlenswert). Unser Guide namens Masu hat uns erklärt, dass viele in Japan aufgewachsene Personen aus zwei Gründen nur selten Englisch sprechen.
Entweder haben sie Angst, Fehler zu machen, oder sie seien zu beschäftigt damit, ihre eigene Sprache zu lernen.
Sprachübersetzer von Google Translate
Dass Japanerinnen und Japaner ungern Englisch sprechen, wenn sie nicht zu hundert Prozent sicher sind, ob der Satz korrekt ist, merken wir in jedem Hotel.
Rezeptionistinnen zücken gerne ein Übersetzungsgerät wie es beispielsweise die Marke Mesay herstellt. Mit dem Aufnahmebutton können sie einen Satz auf Japanisch einsprechen und das Gerät zeigt die Übersetzung auf dem Bildschirm an.
Das genau gleiche, aber eventuell weniger akkurat, kann die Google Translate App mit ihrer Sprachfunktion. Wichtig dabei ist, dass es keine Nebengeräusche hat und klar gesprochen wird. Audio klappt beim Übersetzer aus der Hosentasche nicht immer. Ein Gespräch im Fernsehen, selbst auf hoher Lautstärke, schafft der Translator nicht zu erfassen.
In einer belebten Einkaufsmeile im Tokyoter Stadtteil Asakusa wollten wir einen Kimono näher anschauen. Wir fragten uns, ob dieser nur zur Miete ist oder auch gekauft werden kann. Die Personen im Laden verstanden unser Anliegen leider gar nicht.
Also wiederholte ich meine Frage gegenüber Google Translate und die Dame konnte sie in Schriftzeichen lesen, auf das Mikrofon tippen und ihre Antwort gleich reinsprechen.
Mein herzliches «Arigato» hat es dann auch gleich mit übersetzt. Danke, Translator!
Im Auge: Foto-Übersetzer von Google Translate
Die Translator App hat aber neben der klassischen Eingabe-Funktion und der Sprachfunktion auch eine Kamera-Übersetzung in petto. Dieser bildliche Sprachübersetzer funktioniert über die Kamera auf der Rückseite des Smartphones.
Unten rechts findet sich das Icon, um die Funktion zu starten. Dann öffnet es automatisch die Kamera und alles, was man noch tun muss, ist das Handy über den zu übersetzenden Text zu halten.
Der Translator blendet dann per Bilderkennung das Originalgeschriebene aus und pappt die Übersetzung drüber. Mein Tipp: Auf Englisch übersetzen, Google ist in dieser Sprache einfach am stärksten.
Translator gibt Gift-Entwarnung
Die Kamera-Funktion hat uns einige Male aus der Patsche geholfen. Zum Beispiel, als in unserem Hotel in Tokyo ein knallgelbes Warnsymbol auf dem Lavabo prangte und wir uns nicht sicher waren, ob wir nun überhaupt mit dem Wasser die Zähne putzen können.
Google gab Entwarnung: Unser Hotel hatte nicht hochgiftiges Wasser im Angebot, sondern bat lediglich darum, kein heisses Wasser vom Wasserkocher direkt ins Lavabo zu leeren – what a relief.
Bilderkennung im japanischen Hotel-Badezimmer, wasserdicht
Bleiben wir gleich im Badezimmer von Hotels, denn hier gab es unheimlich viel Stoff, den Google für uns übersetzen durfte. Unser westlicher Popo sah nämlich auch zum ersten Mal ein Toto-Washlet – die berühmten japanischen Toiletten.
Die vielen Knöpfe auf der Bedienung wirkten schon etwas bedrohlich. Mit heruntergelassener Hose wurde also die Kamera-Funktion der Google Translate App gezückt.
Wie man sieht, muss man in diesem Fall die sehr wörtlich übersetzten Anweisungen mit etwas Fantasie und gesundem Menschenverstand entziffern. Das «I’m here. I’m here.» soll wohl so viel wie «Es reicht» heissen – auch weil geich darüber «Stop» steht.
Aber auch das «It’s all over the place» war eine lustige Entdeckung. Drückt man diesen Knopf, spritzt es nicht wild in der Gegend Wasser herum, sondern befeuchtet die Innenseite der Toilette. Denn so bleiben weniger Schmutzpartikel an der Keramik haften – fein säuberlich, dieses Japan.
Mit Googles Sprachübersetzer im japanischen Waschsalon
Auf einem längeren Trip muss auch mal gewaschen werden. In Japan bieten die meisten Hotels eine Coin-Laundry an, eine Waschmaschine, die mit ein paar 100 Yen läuft.
Solche Waschsalons gibt es auch an fast jeder Ecke in den Grossstädten.
Die Anweisungen sind stets auf Japanisch angegeben, die Mühe zu übersetzen machen sich die wenigsten. So simpel wie der Vorgang bei der Waschmaschine eigentlich ist, war auch die Übersetzung.
Handy hinhalten, lesen, waschen.
Google Lens als Erdbeben-Warner
Neben dem Hotel war auch die U-Bahn eine wahre Fundgrube. In Japan gibt es monatlich durchschnittlich 73 Erdbeben mit einer Stärke von 4 oder höher.
Da kann es einen schon mal beim Pendeln erwischen.
Um über das Verhalten in so einem Fall aufzuklären, hängen Schilder in den Waggons. Die Übersetzung, erstellt per Google Lens, ist eigentlich ziemlich klar, viele der Punkte scheinen sinnvoll.
Nur Merksatz 4 lässt kurz stutzen: «Please be careful of your underwear.»
Sprachübersetzer sorgt nicht immer für Verständnis
Was bitteschön, hat die persönliche Unterwäsche mit einem kollektiven Ereignis wie einem Erdbeben zu tun? Dazu konnte Google Lens, die App für Bilderkennung, nichts Erhellendes liefern.
Ideen, was damit gemeint sein soll, darfst Du, liebe Leserin, lieber Leser mir gerne in den Kommentaren abgeben.
Man kann also festhalten: Der Sprachübersetzer von Google, die Kombination aus Google Translate und Google Lens, funktioniert uneingeschränkt, hat jedoch den Nachtteil, dass hier Wort für Wort übersetzt wird. Das kann auch mal für Verwirrung sorgen, hindert aber in den meisten Fällen das Verständnis nicht.
Google Translate ohne kulturelles Gespür
Was eher problematisch war: Der Translator hat bei Sprachen kein Gespür für kulturelle Begebenheiten. Ein Beispiel dafür ist eine Packung Nüsse, erworben natürlich in einem 7-Eleven-Konbini.
Auf der Packung sind Zahlen im Datumsformat gedruckt (24.01.23). Google Translate bestätigte die Vermutung, dass es sich dabei um das Mindesthaltbarkeitsdatum handelt.
Habe ich also Nüsse gekauft, die im Januar abgelaufen sind? Nein. In Japan schreibt man Daten in der Reihenfolge Jahr – Monat – Tag. Da Google Translate nicht wie eine künstliche Intelligenz solche Fakten lernt und berücksichtigt, passte es die Zahlen nicht an die deutsche Konvention an.
Die Stärken von Googles Kamera-Übersetzer
Bei Kosmetik und Speisekarten hingegen brillierte die App. In Japan gibt es an vielen Orten Izakayas – Lokale, in denen man trinken, essen und verweilen kann. Die Kanji-Zeichen für das Wort Izakaya (Kanjis) bedeuten auch Verweilen – Sake – Geschäft, Haus.
Hier wird typischerweise Sake und Shochu in Form von High Balls konsumiert und kleinere Speisen dazu gegessen.
In Japan wird selten nur getrunken. Ein etwas abwertetend konnotiertes Wort, um Izakayas für Westler zu beschreiben, wäre eine Kneipe.
Viele der Izakayas haben umfangreiche Speisekarten. Abhängig davon, wie touristisch die Umgebung ist, bieten sie auch eine englische Version an. Lustigerweise ist die meistens kürzer und listet die bei Touristen beliebten Speisen auf. Per Bilderkennung funktioniert hier die Übersetzung richtig gut.
Deshalb lohnt es sich immer einen Blick in die japanische Karte zu werfen. Und auch wenn diese handgeschrieben ist, ist der Translator hier der beste Freund. Um den Servierer dann vollends zu verwirren, am besten auf die Gerichte zeigen «gore» sagen und dazwischen «to».
Abgerundet mit einem freundlichen «kudasai» hat man «das und das und das bitte» bestellt.
Sprachübersetzer offline? Sorry, ohne Netz läuft nix
Einen Haken hat die Google Translate App aber schon: Sie braucht Internet um zu funktionieren. Je nach Telefonanbieter und Abonnement wäre das in europäischen Ländern kein Problem. Das Datennetz in Japan anzuzapfen wäre aber in meinem Fall sehr sehr teuer geworden.
Es gibt drei Möglichkeiten, die einer Reisenden hier bleiben. In Japan gibt es viele Gratis W-Lan Spots, und so ziemlich an jeder Ecke einen Starbucks. Hier sich im WLan registrieren und Kanjis lockerflockig übersetzen. Wer sich aber lieber nicht in dutzend Wi-Fis in ganz Japan registrieren möchte, der hat die Möglichkeit, ein Pocket-Wifi zu mieten. Wir haben über Japan Experience für 20 Tage ein solches Gerät gemietet – gekostet hat es 101 Euro.
Uns wurde geraten es schon in der Schweiz zu bestellen, da es an den Flughäfen oft teurer wird. Es gab dann zwei Möglichkeiten: Das Gerät zum Hotel senden zu lassen oder am Flughafen zu holen. Wir entschieden uns für ersteres. Der Karton kam pünktlich an, die Anweisungen waren klar und konzis, das Wlan lief und funktionierte überall.
Nur einmal hatten wir Verbindungsprobleme. Schnell war ein Gratis-Wlan-Spot gefunden und Japan Experiences kontaktiert. Ungelogen: innerhalb von fünf Minuten war das Problem behoben und wir konnten munter weiter Japan entdecken. Die dritte Möglichkeit, um in Japan surfen zu wollen, sind SIM-Karten. Diese gibt es bereits ab 1500 Yen ( 9 Franken) für 500 MB Internet in japanischen Elektrogeschäften zu kaufen.
Frag in Japan Passanten. Aber sag nicht «Guten Tag»
Natürlich kann man auch ganz auf Technologie verzichten und Passantinnen nach dem Weg fragen. Da Westler von Japanern aber oft als laut und etwas forsch wahrgenommen werden, gebe ich einen wichtigen Tipp.
Statt mit Konnichiwa (Guten Tag) oder Ohayogozaimas (Guten Morgen) die Leute anzusprechen und ihnen auf die Schulter zu tippen, probieren Sie es mit einem sanften und freundlichen Sumimasen (Entschuldigung) und einem kurzen Winken. Die Reaktionen werden anders sein.
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Zur AnmeldungOder, wenn man lange genug im Tokyoter Mega-Bahnhof Shinjuku stehen bleibt, super verwirrt sich nach links und rechts dreht, erbarmen sich ein paar Einheimische dazu, den Weg zu zeigen.
Und da Japaner keine Fehler machen wollen und unbeabsichtigt den falschen Weg im bruchhaften Englisch erklären, begleiten sie einen auch gleich mit zu der richtigen Plattform. Wenn sie nicht damit beschäftigt sind, ihr Japanisch zu verbessern.
Japanische Schrift: Ein Buch mit drei Siegeln
Japanisch ist eine faszinierende Sprache. Aber auch eine verflixt komplizierte Sache – in drei schriftlichen Ausführungen.
Ganz genau: Die japanische Sprache bedient sich nicht nur einer anderen Schrift – Japanisch besteht aus drei Schriftfamilien: Hiragana, Katakana und Kanji. Hiragana ist die runde japanische Silbenschrift, die für Partikel und grammatikalische Endungen verwendet wird.
Katakana sind die eckigen Schriftzeichen, die vor allem für Fremdwörter (auch Leihwörter aus dem Englischen) benutzt werden. Darüber hinaus bedient sich die japanische Schrift auch an ursprünglich chinesischen Schriftzeichen, den sogenannten Kanji.
Während Hiragana und Katakana Silbenschriften sind, bei denen jeweils ein Zeichen für eine Silbe steht, stehen Kanji-Zeichen für ganze Wörter. Beispielsweise heisst «木» einfach Baum. Will man aber genauer beschreiben, dass es sich um eine Kiefer handelt, wird rechts ein weiteres Zeichen angehängt: « 松».
Zum Vergleich: Das beliebte japanische Spiel Pokémon wird mit den Silbenzeichen ポケモン geschrieben, die für po / ke / mo / n stehen. Diese beiden Systeme müssen gelernt sein.
Japanische Sprache: Im Reich der 3600 Kanjis
In der Grundschule lernen japanische Kinder zuerst die Lesarten von Hiragana und rund 1000 Kanji auswendig, dann lernen sie Katakana und weitere 1000 Kanji – bis sie in der High School die letzten hundert Kanji lernen. Amtlich ist es in Japan vorgesehen, dass man 2136 Kanji bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit kann. Gesamthaft gibt es aber 3600 Kanjis.
Japan, Du machst es uns nicht einfach. Aber das Einfache hat uns ja noch nie gereizt. In drei deutschen Kanjis könnte man es – diesmal ohne Sprachübersetzer – so sagen: Was für ein tolles Land!
Liebe Olivia,
lieber Andreas,
wir haben vor kurzem eine Rundreise durch Japan gemacht. Das Sprachproblem gab es in fast jedem Restaurant. Ein einziges Mal sprach jemand Englisch. Die Speisekarten waren ausschließlich Japanisch und für uns unlesbar. Jede Bestellung ein Wagnis. Einmal haben wir die dreifache Portion bekommen. Das nächste Mal muss ich mir auch mal so eine App zulegen.
Herzliche Grüße
Renate
Hallo Renate, danke für Deinen Input. Wirklich unschön, wenn die gewünschte Bestellung gleich dreifach ausgeliefert wird – und wahrscheinlich dann auch so bezahlt werden muss. Sicher eine gute Idee, nächstes Mal mit einer Translator-App zu reisen. Gern bis bald und guter Gruss, -andreas aka der Internaut-