Tulum, Mexiko: Das stand lange auf meiner Bucket List. Dort erlebte ich eine grosse Tourismus-Bubble. Aber wenig México.
Tulum, México: Der Ort an der Ostküste der mexikanischen Halbinsel Yucatán im Bundesstaat Quintana Roo stand lange Zeit auf meiner persönlichen Bucket List.
Tempel und Ruinen der Maya im Dschungel, endlose Sandstrände, gut erhaltenes Feeling der Traveller-Pioniertage – das zog mich unwiderstehlich an die Karibikküste Mexikos, die Riviera Maya.
Seit 2015 steht Tulum auf der Liste der mexikanischen Pueblos Mágicos, die Reisedestination ist also Teil jener Dörfer und Städte, die zu den schönsten und sehenswertesten Ortschaften von ganz Mexiko gehören und einen Besuch lohnen sollen. Weit mehr als ein blosses Badeferienziel also.
Im Februar 2023 reiste ich endlich hin. Mexiko-Premiere, 30 Jahre nach meinem letzten Trip. Im Rahmen einer Tour, die mich zu verschiedenen Zielen auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan und an der Riviera Maya führte.
Tulum: Schön, aber nicht (mehr) magisch
Klar, meine sechs Tage in Tulum haben mir gut gefallen. Aber so richtig warm wurde ich auch bei 30 Grad nicht mit dem Ort. Vor allem, wenn ich vergleiche, was einem México an anderen Orten geben kann.
Das hat wohl damit zu tun, dass Tulum eine typische Touristik-Karriere hingelegt hat. Von der einstigen Backpacker-Entdeckung hin zur voll ausgebauten Destination. Das México der Mexikanerinnen und Mexikaner, scheint mir, kommt hier nur noch zu Besuch. Als Heer von Service-Angestellten für eine Wohlfühl-Veranstaltung, die grossmehrheitlich auf US-amerikanische Kundschaft zugeschnitten ist.
Etwas Traveller-Charme in Tulum Pueblo
Am ehesten noch lässt sich etwas von der einstigen Traveller-Magie ahnen in der Stadt Tulum Town oder Tulum Pueblo.
Die Stadt selber liegt aber nicht am Meer.
Hier in der Stadt kann man noch zu Fuss promenieren, die Strassenzüge sind aber natürlich voll auf das touristische Publikum abgestimmt, voll mit Souvenirläden, Bars und Restaurants.
Eine Mahlzeit oder ein Drink in Tulum Town ist weniger teurer als an den guten Strandlagen. Das Pueblo bietet ein gutes Abendprogramm. Etwa, wenn eine Band ihr ganzes Equipment open Air an der Strasse aufstellt und mitten in der Stadt beherzt loslegt.
Strände der Riviera Maya mit Algenproblem
Der lange Strand der Zona Hotelera ist etwas, das viele Touristen schon lange vor der Abreise zu Gesicht bekommen. Und sich freuen auf ein feinsandiges Sandband mit türkisem klarem Wasser. Mexiko pur.
Die Wahrheit sah, mindestens im Februar 2023, anders aus. Das Meer der Karibik war hier gesäumt von grossen Teppichen aus Braunalgen.
Das Algenproblem – man spricht hier von Seaweed oder Sargassum – ist seit längerem bekannt. Früher trat es an der Riviera Maya vor allem in den Monaten Mai und Juni auf. In letzter Zeit aber schon sehr viel früher und stärker.
Touristen stellen sich bei dieser Problematik zwei Möglichkeiten: Man informiert sich tagesaktuell auf den zahlreichen Facebook-Gruppen, die es zum Thema Sargassum gibt. So erfährt man zeitnah, wo sich die braunen Algen breitmachen – und wo nicht.
Mit diesem Wissen kann man dann mit einem Mietwagen jene Playas ansteuern, die weniger unter der Algenplage leiden. Ein Übel übrigens, das ein neues Berufsbild geschaffen hat. Jenes der «Sargaceros». Jene (einheimischen) armen Teufel, welche die Algen wegschaufeln müssen.
Zweite Möglichkeit: Den Strand geniessen, so gut es eben geht. Und für den Badespass vermehrt ausweichen auf die wirklich magischen Cenoten, von denen es auch in Tulum viele gibt.
Cenoten einplanen im Urlaub
Cenoten – auf Spanisch Cenotes – sind unter- und oberirdische Süsswasser-Badestellen, die ihren ganz eigenen Zauber haben.
Weil einige Strände in Tulum teils nur sehr schwach abfallen und steinigen Boden aufweisen, waren mir die Cenotes zum Baden und Schwimmen lieber als alle Strände zusammen. Der Besuch einer Cenote sei hier wirklich irre stark empfohlen.
Suytun, die ikonische Cenote bei Valladolid
In Tulum selber gehören die Cenote Cristal (siehe oben) und die Cenote Escondido zu jenen magischen Stätten, die von der Stadt her am besten erreichbar sind.
Rund um Tulum herum gruppieren sich dann weitere dieser faszinierenden Badestellen.
Eine der gewaltigsten Cenoten ist die Suytun Cenote, die von Tulum her landeinwärts in Richtung der Stadt Valladolid liegt.
Per Auto oder Bus dauert es etwas über einer Stunde bis zur Cenote Suytun. Ein Zauber also, der sich gut auf einem Tagesausflug erleben lässt.
Hippe Hotels für die Yoga-Ibiza-Bali-Digitalnomaden-Bubble
Klar, es gibt das Tulum des Massentourismus: Ausflugsboote, gefüllt bis auf den letzten Platz, Busladungen voller Feriengäste, die in ihren Schwimmwesten auf 150-Dollar-Schnorchel-Trips mit massiven Arm- und Beinschlägen noch die letzte Schildkröte in die Flucht schlagen.
Aber es gibt auch das endkrass chice Tulum. An der sogenannten Zona Hotelera reiht sich ein herausragendes Bauwerk ans nächste. Hotels, Restaurants und Beach Bars aus Holz und aus Stroh, eines fotogener als das andere.
Darunter auch Gebäude, die im Öko-Stil gebaut wurden und sich sehr nachhaltig geben. Was dann vom Nachbarbau schon wieder übertroffen werden will. Und vom übernächsten Hotel ebenso.
Eine ganze Reihe von Hotels, Restaurants und Beach Clubs ausserhalb der Stadt, die für eine kaufkräftige Kundschaft gebaut wurde, eine coole Crowd, die man sich so auch in Ibiza und Bali vorstellen könnte.
Ein very busy Volk, beim Yoga, beim Zugewinn definierter Muskeln oder beim konzentrierten Tippen auf einen Laptop, der auf der uns zugewandten Seite derart mit Abziehbildern verziert ist, dass er laut zu uns schreit: Ich! Bin! Ein Digitaler Nomade!. Eine der vielen Szenen in Tulum, die wie aus dem Feed eines Social-Media-Accounts anmuten.
«A Town made for Instagram», schrieb ein Kollege über Tulum treffend. Sehr treffend sogar, wie mein nächster Eindruck aus dieser Ecke von Mexiko zeigt.
Die Instagram-Scheinwelt
Als einer, der auch in touristischer Hinsicht immer mal wieder Instagram zu Rate zieht, regte sich lange vor Abreise nach Mexiko und Tulum schon ein Wunsch in mir.
Der Wunsch ging so: Einmal wie alle anderen glamourösen Menschen in Tulum den glamourösen Gang durch die Skulptur Ven a l luz (Komm ans Licht) des südafrikanischen Künstlers Daniel Popper zu machen. Eine Skulptur die, so schien es, ganz allein für sich am Boulevard Kukulcan der Zona Hotelera steht, Adresse: Kilometer 9.
Tatsächlich zeigte sich die Sachlage dann ein bisschen anders. Die Skulptur steht mitten in einer privaten Anlage. Lange Menschen-Schlangen bilden sich vor ihr und vor dem Hotel Ahau, zu dem die Escultura gehört.
Ohne bezahlen darf man nichts ans Licht. Tagsüber sind es 3 Dollar, ab 18 Uhr 5 Dollar (Preise Februar 2023). Begleitet von der unmissverständlichen Angabe, die angegebene maximale Fotografierzeit von einer Minute nicht zu überschreiten. Mein Learning: Jetzt bist Du ans Licht gekommen, gelebte Instagram-Realität.
Tulum und das Thema Sicherheit
Mexiko ist in den letzten Jahren zu einem Land mit grossen Sicherheitsproblemen geworden. Davon sind aber nicht alle der 32 mexikanischen Bundesstaaten gleich betroffen.
In den regelmässigen Hinweisen des US-Aussendepartments zur Reisesicherheit in Mexiko schneiden die beiden Staaten Yucatan und Campeche («normale Vorsichtsmassnahmen») am besten ab.
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Zur AnmeldungTulum liegt im Bundesstaat Quintana Roo; für diese Region werden «erhöhte Sicherheitsmassnahmen» empfohlen.
Anders als etwa in Mérida, der als überaus sicher geltenden Hauptstadt von Yukatan, trifft man in Tulum immer mal wieder auf polizeiliche und militärische Checkpoints. Was, je nach Gemütslage, bei der einen Traveller-Fraktion für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl sorgt. Bei der anderen Fraktion aber Sorgen aufkommen lässt, dass solche Sicherheitskontrollen überhaupt nötig ist.
Meine Erfahrung in Tulum im Februar 2023: Ich habe mich jederzeit sicher gefühlt.
Dabei neigte ich aber – auch nach der so positiven Erfahrung in Mérida – bei der Gemütslage eher zur zweiten Fraktion.
Tulum, mexikanische Karibik, Fazit
Klar, die Destination Tulum an der Riviera Maya hat eine ganze Menge zu bieten, Sehenswürdigkeiten wie etwa die emblematische Maya-Stätte El Castillo und das Biosphärenreservat Sian Ka’an, Strände, verzaubernde Cenotes und eine innovative Hotel-Szene.
Zwar ist der Ort bestimmt nicht derart internationalisiert wie die All-Inclusive-Strandzone von Cancún. Tulum ist keine Ferien-Fabrik. Aber jenen mexikanische Charme, den ich anderswo auf der Halbinsel Yukatan gefunden habe, vermisse ich hier. Soll ich es mangelnde Authentizität nennen? Eine Mexikanität, die unter gebürstetem Touristik-Industriestahl nicht mehr schimmert und schillert? Ein Mexi-K.O.? So etwas in der Art.
Weil ich selber etwas verwirrt war über mein Befinden, habe ich mich mit jemandem unterhalten, der Tulum sehr viel besser kennt als ich. Seit seinem ersten Besuch an der Riviera Maya im Jahr 1987 ist der Schweizer Touristiker Reto D. Rüfenacht unzählige Male wieder nach Mexiko gereist. Hier erzählt der ausgewiesene Mexiko-Kenner, wie er die Entwicklung von Tulum sieht.
Fazit: Für viele Menschen mag Tulum ein Sehnsuchtsziel par excellence sein. Für mich ist es das nicht.
Habe während meiner Mexiko-Rundreise einen weiten Bogen um Cancún und Tulum gemacht. Hatte null Bock darauf, auch nur einen einzigen Tag meiner kostbaren Ferienzeit in einem vorab von US-Pauschaltouris frequentierten banalen All-Inclusive-Ferienghetto zu verschwenden. Ballermann der Karibik. Billiger Massentourismus wie in Sosúa DomRep oder Pattaya Thailand. No, muchas gracias !
Hallo René, danke für Deinen Input, kann Dich gut verstehen. Würde aber Tulum trotzdem nicht mit Cancún vergleichen. Vor allem in der Architektur scheint mir Tulum sehr viel bewusster im Umgang mit den Ressourcen; konventionelle Hotelbunker findet man in Tulum viel weniger als in Cancún. Auch der Vibe scheint mir in Tulum anders zu sein als in der AI-Hochburg Cancún. Aber hast schon recht: Mexiko hat so viel Besseres zu bieten…..
Danke, Andreas, für deine (immer noch sehr wohlwollende, wie ich finde) Einschätzung. Tulum stand auch lange auf meiner Bucket List, bis ich diese ernüchternde/erschütternde Reportage in der ZDF-Mediathek gesehen habe: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/tulum-mexicos-partyzone–hipster-drogen-und-erleuchtung-100.html
Mich ärgert besonders, dass die Menschen, die bevorzugt an solche Ziele reisen, sich selbst als besonders grün und naturfreundlich gerieren – und dabei für die Zerstörung dieser Paradiese hauptverantwortlich sind. Sollte man auf solche Entwicklungen mit Umfahrung reagieren, wie der Kommentator René, oder ist diese Tourismus-Konzentration an bestimmten Orten vielleicht sogar besser als noch die letzten unberührten Naturschönheiten des Planeten in Rummelplätze zu verwandeln. I have no idea.
Empfehlenswert auch ein Artikel von August in der NZZ zur Braunalgen-Plage mit interessanten Grafik-Simulationen:
https://www.nzz.ch/visuals/im-atlantik-breitet-sich-die-alge-sargassum-ungewoehnlich-stark-aus-an-den-straenden-der-karibik-wird-sie-zum-gesundheitsproblem-ld.1751794
Hallo Sybille und danke für Dein Feedback. Ich neige eher zum Gedanken, dass es besser ist, wenn sich TouristInnen an gewissen Orten konzentrieren – damit dann andere Naturschauplätze in Ruhe weiter leben. Oder nur von Leuten besucht werden, die behutsam mit Fauna, Flora und dem ganzen Ökosystem umgehen.Spannend in der Sargasso-Sache finde ich, dass es offenbar in Mexiko immer wieder Ideen und Initiativen gibt, diese Algen in Biogas oder Dünger zu verwandeln. Aber irgendwie passiert da wenig. Gruss, -andreas aka der Internaut-
Caro Andreas
Du hast es auf den Punkt gebracht: „Hippe Hotels für die Yoga-Ibiza-Bali-Digitalnomaden-Bubble…“
Geniesse Catania 🙂
Alfredo
Ciao Alfredo, danke fürs Feedback. Ja, jetzt bin ich wirklich gespannt auf die sizilianische Bubble, Gruss, -andreas aka der Internaut-